Adam und Eva waren kein Paar!

von Dr. Hans Peter Stamp

In der Bibel sind Adam und Eva bekanntlich ein Paar, aber wirklich gegeben hat es die beiden als erstes Menschenpaar auf Erden nicht. Die Parabeln der Bibel sind nicht wörtlich zu nehmen. Die heutigen Forscher zur Menschheitsgeschichte kennen dennoch einen Mann, den sie Adam nennen und eine Frau, die sie Eva nennen. Sie lebten vor vielen zehntausenden von Jahren, ein Paar waren die beiden aber mit großer Sicherheit nicht.

Wer war Adam?

Es gibt heute ca. 3 Mrd. Männer und Knaben auf Erden, und sie alle haben im Gegensatz zu allen Frauen und Mädchen in ihrem Chromosomensatz ein Y-Chromosom. Das heißt aber nicht, dass es 3 Mrd. verschiedene Y-Chromosomen gibt. Denn erhalten konnten sie es alle nur von ihren Vätern, bei den Müttern gab es keines. Und 3 Mrd. verschiedene Väter haben sie nicht, weil es unter ihnen Brüder gibt. So nimmt die Zahl der Vorfahren in rein männlicher Linie von Generation zu Generation ab, je weiter man zurück geht, bei den ersten Generationsschritten relativ schnell und um so langsamer, je weiter man zurück ist. Aber auch wenn die Abnahmeraten weltweit in früher Zeit sehr klein werden, landen wir irgendwann bei der Zahl eins. Die Wissenschaftler nennen diesen einen Mann, von dem alle heutigen Männer in rein männlicher Linie abstammen, gerne Adam. Er lebte vor zehntausenden von Jahren. Adam hatte selbstverständlich männliche Zeitgenossen und von vielen von ihnen stammen wir ebenfalls ab, nur deren Y-Chromosomen sind nicht bis in die heutige Zeit dupliziert worden.

Wer aber war Eva?

In der Presse fand sie bisher mehr Aufmerksamkeit. Eva soll vor etwa 160000 Jahren gelebt haben, in Afrika, so sind die Forscher sich sicher. Wie aber läuft die Zeitbestimmung? Eben so wie beim Y-Chromosomen der Männer haben Frauen Erbsubstanz, die nur von der Mutter stammen kann, man nennt sie mtDNA. Es gibt in den Zellen Erbsubstanz, die sich nicht im Zellkern befindet, sondern schon in der Eizelle und nach noch so vielen Zellteilungen immer noch außerhalb des Kerns angesiedelt ist. Sie gehört zur Substanz der Eizelle und kann deshalb nur von der Mutter stammen. Bei den Unterschieden zwischen mtDNA heutiger Menschen kann man aus Zahlen über Mutationshäufigkeiten schätzen, wie lange sie für ihre Entstehung brauchten. So kam man auf 160000 Jahre. Für Adam habe ich in der mir zur Verfügung stehenden Literatur keine Schätzungen zu seinem Alter gefunden, nach Zeitungsmeldungen über neuere Forschungsergebnisse soll er deutlich jünger sein, weniger als halb so alt. Dass bei einem so riesigen Zeitraum die Lebenszeiträume zweier Menschen zufällig eine Schnittmenge aufweisen sollen, ist ohnehin nicht anzunehmen, so dass die beiden schon insoweit kaum ein Paar gewesen sein können. Sie haben aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gleichzeitig gelebt. Auch Eva hatte viele weibliche Zeitgenossinen, von denen wir abstammen. Nur deren mtDNA wurde nicht bis heute gerettet.

Aber selbst wenn Adam und Eva gleichzeitig gelebt haben sollten, ist es außerordentlich unwahrscheinlich, dass sie ein Paar waren. Dies wird besonders Genealogen einleuchten, wenn sie sich folgendes überlegen: Adam ist unser Vorfahr in rein männlicher Linie und Eva unsere Vorfahrin in rein weiblicher Linie. Adam ist dies nicht nur für Sie und mich, sondern für jeden australischen Ureinwohner, für jeden Eskimo und für jeden Indio in den Anden. Gleiches gilt für Eva. Als Genealogen kennen wir den Verlauf beider Linien in der Ahnentafel. Zu Adam kommt man über den Vater, den väterlichen Großvater usw. ; zu Eva über die Mutter, die mütterliche Großmutter usw.. In der Generation der Urgroßeltern wären es die Kekule-Plätze 8 und 15, in der nächsten Generation 16 und 31, dann 32 und 63, 64 und 127 usw. usw.. Es gibt in der Ahnentafel pro Generation keine zwei Personen, die voneinander so weit entfernt sind wie die "oberste und die unterste". Am Ende sind dies Adam und Eva, wenn sie denn überhaupt zu einer Generation gehören. Evas Kekule-Nummer ist fast doppelt so groß wie die von Adam.

In meinem Gästebuch finden Sie unter dem 01. November 2000 eine Anfrage von Herrn Hubert Joachim. Er fragte was ich davon halten würde, dass wir angeblich von nur sieben Urmüttern abstammen sollen. Den Artikel in der PM, auf den Herr Joachim sich später bezog, kannte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. So nahm ich als Vermutung an, ihm ginge es um die Evatheorie und schrieb ihm zunächst darüber etwas Allgemeines.

Dann schickte er mir den Artikel aus der PM, aus dem er den Hinweis entnommen hatte. Der Artikel hat folgenden Wortlaut:

"NEUARTIGE DNA-ANALYSE FÜR 400 MARK FINDEN SIE HERAUS, WIE IHRE URMUTTER HIESS

Sämtliche Europäer stammen von nur sieben Urmüttem ab«, verkündete kürzlich der Humangenetiker Bryan Sykes von der Universität Oxford. Vor 45000 Jahren gründete jede dieser Frauen einen Clan, dessen Nachfahren wiederum neue Großfamilien in die Welt setzten, aus denen schließlich die europäischen Völker hervorgingen. Zu diesem Schluss kam der Brite nach Erbgut-Untersuchungen an etwa 6000 Europäern. Dabei machte er eine erstaunliche Erkenntnis: Die in den Mitochondrien enthaltene DNA (mitochondriale DNA), die nur die Mütter an ihre Kinder weitergeben, lässt sich in sieben typische Genmuster aufteilen. Heute tragen fast alle Europäer eine dieser genetischen Signaturen in sich. »Jeder stammt von einer Urmutter ab«, folgerte Sykes und nannte diese Frauen Ursula, Xenia, Tara, Helena, Katrine, Valda und Jasmine. Die Namen der »sieben Töchter der Eva«, so der Titel seiner Studie, stammen aus dem Gälischen, Skandinavischen und Persischen und stehen für das riesige geografische Gebiet, aus dem die Europäer stammen. Wer den Namen seiner Urmutter erfahren will, kann sich an Sykes' Firma »Oxford Ancestors« wenden und für 400 Mark sein Erbgut analysieren lassen."

Nachdem ich diesen Text kannte, antwortete ich Herrn Joachim:

schönen Dank für den Text. Sie haben es schon richtig gesehen, hier handelt es sich um einen Beitrag zur Evatheorie. Die in dem PM-Aufsatz angesprochenen Typen sind durch Mutation entstandene verschiedenene Typen von mtDNA der "Eva", denn auch die mtDNA unterliegt selbstverständlich dem Mutationsgeschehen, ebenso wie die DNA des Zellkerns. Das ist schließlich auch der Grund, weshalb überhaupt Schätzungen für Zeiträume ... möglich sind. Man schätzt diese durch die Annahme von Mutationshäufigkeiten pro Zeiteinheit oder pro Generation. Genealogisch ist die ganze Sache natürlich nicht von Belang. Denn zum einen bekommt man das, was die Überschrift verspricht, den Namen der Urmutter, gerade nicht. Und selbst wenn man sich an dem Spiel mit den Namen Ursula, Xenia usw. beteiligt, sorgt doch eine quantitative Betrachtung für Ernüchterung. Ursula ist eine Vorfahrin von sehr vielen. Ja, von wie vielen denn? Nehmen wir für die 45000 Jahre 2000 Generationen an, hat Ursula als Ihre mögliche Vorfahrin in ihrer Generation (2000 Generationen vor Hubert Joachim) 22000 Kollegen und Kolleginnen. Diese Zahl 22000 ist so ungeheuer groß, dass z.B. der Vergleich Ursula verhielte sich zu dem Rest in ihrer Generation wie ein Sandkorn zur Sahara eine gigantische Übertreibung der Rolle von Ursula wäre. Quantitativ ist es also völlig unwichtig, ob man von Ursula oder Xenia in rein weiblicher Linie abstammt. Betrachtet man alle Kekule-Plätze der betreffenden Generation, stammt sowieso jeder Mensch in Europa von beiden ab und das ungeheuer oft. Wie oft? Wenn es damals 1 Mio. Menschen gab und 1 Mio. etwa 220 entspricht, verbleibt als durchschnittliche Häufigkeit für jeden damaligen Menschen also 21980 . Das ist aber genauso unvorstellbar wie 22000. Ursula auf dem Kekule-Platz in rein weiblicher Linie rangiert also zu ihrer Gesamthäufigkeit in der Ahnenliste auch so, dass der Vergleich mit dem Sandkorn und der Sahara eine gigantische Übertreibung wäre..

Zur Ergänzung: es gibt zu allem Überfluss auch noch eine Y-Theorie. Genau so wie man die mtDNA nur von seiner Mutter haben kann, kann man das Y-Chromosom auch nur von seinem Vater haben. So würde man auf Adam stoßen. Aber eines dürfte sicher sein: Adam und Eva waren kein Paar... .