Nr. 1 vom 8. Januar 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Es gibt mehrere verschiedene Methoden mit Essen und/oder Trinken Stresssituationen zu überwinden und die Seelenlage zu verbessern, wobei hier nicht an Rauschmittel wie Alkohol etc. gedacht ist. Die Rede soll hier sein von Zucker, Fett und Fasten. Viel Zucker oder viel Fett z.B. können Effekte auslösen, die schlechte Stimmung beseitigen.

Das Gehirn braucht als Vorstufe des Serotonin, dem wir ausgeglichene Stimmungslagen verdanken, eine in der Nahrung vorkommende Aminosäure namens Tryptophan. Je mehr Tryptophan ins Gehirn gelangt, desto mehr Serotonin wird gebildet und ausgeschüttet - das wiederum kann einen positiven Effekt auf die Stimmung ausüben. Zucker führt zur Ausschüttung von Insulin und das kann zu einer Anreicherung von Tryptophan im Blut führen. Die Menschen sagen, "dass Süßigkeiten irgendwie helfen, mit Problemen fertig zu werden."

Eine gleiche Wirkung lässt sich mit Fett erreichen. Mit der Aufnahme von Fett steigt der Spiegel freier Fettsäuren im Blut, das führt letztlich ebenfalls dazu, dass Tryptophan in größeren Mengen frei im Blut zirkuliert und damit mehr Serotonin gebildet werden kann. Doch ob man mit Zucker oder Fetten sein Tief überwinden möchte oder mit einer Mischung aus beiden z.B. in Form edler Pralinen, die Wirkung hält nur ein oder zwei Stunden an.

Eine weitere Möglichkeit, die Stimmung zu verbessern ist für einige Menschen das absolute Gegenteil von fettem bzw. süßem Essen, nämlich das Fasten. In den ersten drei Tagen beherrscht der Hunger die Stimmung, danach verschwindet angeblich dieses Gefühl, und die Spannung löst sich. Die Stimmung steigt bis hin zur Euphorie. Im Tierversuch wurde geklärt, wie das kommt. Ohne die Sache ausführlich zu erklären, auch diese Story hängt am Serotonin. Serotonin wird an den Nervenendigungen ausgeschüttet und von sogenannten Transportern wieder in die Zelle zurückgeholt. Beim Fasten vermindert sich die Anzahl der Transporter und im Blut steht mehr Serotonin zur Verfügung.

Doch bergen diese "Problemlösungsstrategien" auch ein Suchtpotential, über das die AID jüngst Informationen verbreitete. Wer in belastenden Situationen immer wieder Süßes oder Fettes isst bzw. fastet, kann abhängig von diesen Gewohnheiten werden. Professor Gerald Huether von der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen hat es in einer AID-Info so erklärt: "Die neuronalen Verschaltungen können so stark gebahnt werden, dass schließlich jedes Stimmungstief zwanghaft mit einer unbewussten automatisierten Reaktion beantwortet wird." Wer darüber mehr erfahren will, über Essstörungen etc. findet bei der AID weiteres Material, u.a. unter http://www.aid.de im Internet.

Von Menschen, die noch Hungerzeiten kennen gelernt haben, hört man gelegentlich ein: "Das hat es doch früher nicht gegeben". Aber Vorsicht, Fastenregeln haben eine alte Tradition, z.B. bei uns im Christentum vor Ostern und bei den Muslimen im Ramadan. Unwahrscheinlich, dass es dabei nie zum Missbrauch gekommen sein soll. Und auch aus früheren Jahrhunderten, in denen Nahrungsknappheit verbreitet war, gibt es Beispiele von Essstörungen durch zuviel Fett bzw. Süßigkeiten. Die ganz Reichen konnten auch damals so viel davon essen, wie sie wollten. Wenn die Kaiserin Maria Theresia den Sarkophag ihres verstorbenen Ehemanns im Kellergewölbe besuchen wollte, musste sie einen eigens dafür konstruierten Fahrstuhl benutzen. Die Kellertreppe war für sie zu schmal, mit dem Wort Kummerspeck beschreiben es ihre Biographen.