Nr. 5 vom 5. Februar 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

"Mit Umweltverträglichkeit allein lassen sich keine Reisen verkaufen", sagte jüngst der Chef eines großen Touristikunternehmens. Wir wissen es aus dem eigenen Land, welche Gründe Menschen dazu bewegen, an bestimmten Stellen gerne Urlaub zu machen und an anderen nicht. Das Meer ist so ein Grund, 15 km hinter Deich oder Steilküste sieht es dann meist schon ganz anders aus. Und gegen einen Trend der Zeit kämpfen bei uns alle, die ihre Existenzgrundlage im Tourismus haben: "Kurzer Urlaub, schnell und weit weg".

Diese beiden Erkenntnisse muss man beachten, wenn man für Regionen Zukunftsrezepte entwickelt. Die Landwirtschaft hat es z.B. in der Eider-Treene-Sorge Region immer wieder betont, dass Rückgänge in der Wirtschaftskraft, wie sie eine Verringerung der landwirtschaftlichen Umsätze mit sich bringt, dort nicht durch den viel beschworenen Sanften Tourismus ausgeglichen werden können. Vielleicht ist es möglich, die Zahl der Übernachtungen ein wenig zu steigern. Die dadurch erzielbaren Umsätze stehen aber in keinem Verhältnis zu den Einbußen durch eine Verringerung der landwirtschaftlichen Umsätze, auch, wenn sie vielleicht nur 10% beträgt. Man kann mit 5000,- DM Umsatz pro Hektar rechnen, wovon knapp 1000,- DM das Einkommen des Landwirts darstellen und 4000,- der Region insgesamt zugute kommen. Auf 50000 ha bringt das 250 Mio. DM. 10% davon sind 25 Mio. DM. Wie viele Übernachtungen wollen die Tourismusperspektivlinge denn zusätzlich gewinnen, um dies auszugleichen? Sollen es 1.000.000 mal 25,- DM, 500.000 mal 50,- DM , oder 250.000 mal 100,- DM sein?

Man sieht, es wird nicht gehen. Und es kommt noch eines hinzu. Wer sagt uns denn, dass zwischen den beiden Phänomenen überhaupt eine echte Verbindung besteht? Oder anders ausgedrückt: Vielleicht kann man die Zahl der Übernachtungen im gleichen Maße erhöhen, ohne die Umsätze der Landwirtschaft zu verringern. Ob wirklich mehr Gäste kommen, wenn auf der einzelnen Weide statt 20 Rindern nur noch 10 zu sehen sind, oder andere Flächen gar nicht mehr beweidet werden? Damit wären wir wieder bei der Eingangsaussage, wonach mit Umweltverträglichkeit allein keine Reisen zu verkaufen sind. Und das gilt sowohl für eine echte Erhöhung der Umweltverträglichkeit als auch für eine eingebildete. Denn offen dürfte die Frage sein, ob es wirklich ökologisch besser ist, wenn auf der einen Weide nur noch zehn Tiere gehen und die andere gar nicht mehr beweidet wird.

Wenn es einen Trend zu schnellen kurzen Fernreisen gibt, dürfte bei näherem Hinsehen der Pfeil auch eher in die andere Richtung zeigen. Die Welttourismus-Organisation (WTO) hat ausgerechnet, dass sich die Zahl der Fernreisen in den nächsten 40 Jahren verfünffachen wird. Wo heute ein Flieger für den Flug nach Südafrika und zurück 170000 Liter Treibstoff verbraucht, werden es dann fünf sein. Und selbst, wenn der Treibstoffverbrauch sich senken lässt, mit weniger als 500 Tonnen Treibstoff wird das nicht gehen. Das brauchen die fünf Flieger für einmal hin und zurück. Zum Vergleich: Sämtliche Schlepper der gesamten Eider-Treene-Sorge Niederung fahren damit mehr als einen Monat. An dieser Bewertung der Fernreisen in ökologischer Hinsicht ändert auch die Tatsache nichts, dass es der Lufthansa jüngst gelang, mit einer hübschen Geschichte in die Schlagzeilen zu kommen, als sie zwei zu spät flügge gewordene Mauersegler in ihr Überwinterungsgebiet nach Südafrika flog. Diese Nachricht ist eben so zwiespältig wie die Werbeaussage von LTU, dass sie das Verpackungsmaterial aller möglichen Versorgungsgüter nicht nur auf die Malediven fliegt, sondern als Müll auch wieder zurück. Und eben so zwiespältig ist die Auszeichnung einer Reisegesellschaft mit der Goldenen Palme für eine Reise nach Costa Rica, weil das Programm mit Tierbeobachtungen etc. den Juroren so sehr sanft vorkam.