Nr. 13 vom 01. April 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Bei 25 bis 50 Prozent liegen weltweit die Vor - und Nachernteverluste. So steht es in der Agenda 21, und zwar als Einleitung des Kapitels mit der Überschrift "Integrierter Pflanzenschutz in der Landwirtschaft". Auf Schleswig-Holstein sind diese beiden Zahlen nicht gemünzt, die 50% auf keinen Fall, aber auch wohl nicht die 25%. Wir gehören mit z.B. durchschnittlich 90 dt Weizen pro Hektar eben zu den Ländern, in denen der Integrierte Pflanzenschutz bereits besonders intensiven Eingang in die landwirtschaftliche Praxis gefunden hat.

Das Expo 2000 Projekt "Sicherung der Welternährung" der Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holsteinische Landwirtschaft wird vor diesem Hintergrund der Weltöffentlichkeit Modelle präsentieren, die als "Modelle zu einer effizienten und umweltgerechten Produktion von Weizen und Milch" angekündigt sind – Schleswig-Holstein als Modellregion. In einer besonderen Informationsbroschüre geht es dabei auch um den Pflanzenschutz. "Pflanzenschutz schreibt Weltgeschichte" ist die Überschrift und als kleine Kostprobe daraus - vielleicht um Appetit auf mehr oder auf einen Besuch der Ausstellung in Molfsee zu machen - sei hier die Geschichte des Kartoffelkäfers in wenigen Sätzen nacherzählt.

Sie endet mit einer geschichtlich bedeutenden Rolle des Käfers zurzeit des Zweiten Weltkrieges. Während die irische Massenauswanderung in der Mitte des 19. Jahrhunderts und der Steckrübenwinter 1916/17 mit ihren jeweiligen geschichtlichen Dimensionen auf Grund der Kraut - und Knollenfäule allgemein bekannt sind – sie werden in der Broschüre auch geschildert - , ist die Rolle des Kartoffelkäfers während des Zweiten Weltkrieges heute nur noch wenigen Menschen bekannt.

Aber noch einmal ganz von vorne: Vor 150 Jahren war der Käfer ein seltenes Tier, das auf einem seltenen Nachtschattengewächs am Osthang der Rocky-Mountains lebte. Der Käfer hatte zweimal Glück. Es fing damit an, dass er das andere Nachtschattengewächs, die als Nahrungsgrundlage von Bahnarbeitern in Colorado zum Anbau gelangte Kartoffel, als Nahrungsgrundlage kennen gelernt und sich üppig vermehrt hatte. Erst aber als die transpazifische Eisenbahnlinie den Osten der USA mit dem fernen Westen verband, kam der Käfer bis in den Hafen von New-York und damit auf die Schiffe, die ihn überall hin trugen. Als er 1877 zum ersten Mal auch in Deutschland gefunden wurde, konnte man ihn mit viel Petroleum und tiefem Umgraben gerade noch einmal ausrotten. Das war zwar nicht besonders umweltfreundlich, aber es wirkte. Ein strenges Einfuhrverbot für Kartoffeln aus der Neuen Welt sorgte einige Jahrzehnte für Ruhe.

40 Jahre später erschien dann die zweite Welle, die diesmal über Marseille herein gekommen war. Das geschah 1917 durch amerikanische Truppentransporter, und die Ausbreitung in Südfrankreich erfolgte schnell. Die zweite Welle erreichte 1936 Deutschland und bis 1945 war ganz Deutschland befallen. Bald waren es auch die Länder Osteuropas, in denen Nahrungsmittel teilweise noch knapper waren als in Deutschland. Wenn noch zwei Jahre nach Kriegsende deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion in großer Zahl starben, lag das nicht in erster Linie an der schlechten Behandlung durch die Russen. Die hatten selbst nicht genug zu essen. Heute ist der Käfer unter der Kontrolle der Phytomediziner. Man nimmt übrigens außerdem an, dass die heute lebende Population weniger aggressiv in der Vermehrung ist, als es ausgerechnet in der "knappen Zeit" der Fall war.