Nr. 32 vom 12. August 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Neulich war es wieder einmal so weit, Biodiesel wurde zum x-ten Male eine schlechte Energiebilanz nachgesagt. Wenn es nicht Leute gewesen wären, die zu den landwirtschaftlichen Fachleuten zählen, hätten wir es ignorieren können. Was ist überhaupt eine Bilanz? Es handelt sich dabei um einen Ausdruck aus dem ökonomischen Rechnungswesen und stellt eine Gegenüberstellung von Vermögenswerten dar, von aktiven auf der einen Seite und von passiven auf der anderen. Bei den passiven kann es um Eigenkapital- und um Schuldenposten gehen. Gemessen wird das Ganze in Geld. Energie misst man in Joule oder Watt, wobei Joule ein Watt pro Sekunde ist. Versuchen Sie mal mit Joule eine Bilanz aufzustellen. Schon bei dem Versuch, Energie auf der linken Seite zu aktivieren, wird es schwierig; immerhin kann man ein Inventar der verfügbaren Güter nach ihrem Energiewert aufstellen. Bei dem Versuch, auf der rechten Seite eine Aufteilung nach Schulden, Eigenkapital oder Rückstellungen bzw. Rücklagen vorzunehmen wird es spätestens klar, eine Energiebilanz in diesem Sinne gibt es eigentlich gar nicht. Bei Energierechnungen gibt es aber eine Größe , die mit dem Gewinn in einer Bilanz vergleichbar ist.

Diesen "Gewinn" ermittelt man nicht aus einer Bilanz sondern aus einer Art Einnahmen/Ausgaben Überschussrechnung – so würden die Ökonomen sagen. Man vergleicht also die "eingenommene" Energie mit der "ausgegebenen", ähnlich dem. Begriffspaar Ertrag und Aufwand. Verbraucht man fossile Energie, hat man es nur mit Aufwand zu tun, Ertrag gibt es da nicht. Selbst wenn man also großzügig die "Einnahmen/Ausgaben Überschussrechnung" als Bilanz bezeichnet, bei fossiler Energie fehlt es am Ertrag. Man könnte allenfalls sagen, dass der Ertrag gleich Null ist und dann vergleichen. Dann wäre der gesamte Energieaufwand im ökonomischen Sinne als Verlust zu bezeichnen, reichlich theoretisch.

Bei erneuerbarer Energie ist das anders. Die Energie der Biomasse aus der Photosynthese oder der Strom aus dem Talsperrenwasser stellen ebenso wie der Strom aus der Windmühle "Ertrag" dar. Dabei kann es dann auch passieren, dass der Ertrag niedriger ist als der Aufwand, aber es gibt immerhin etwas zu "bilanzieren". Betrachtet man eine Windmühle sehr kurzfristig, kann dieser Fall eintreten; mittelfristig und insbesondere langfristig machen Windmühlen energetisch aber "Gewinn" und dies schon nach weniger als einem Jahr, dem in der Ökonomie üblichen Rechnungszeitraum. Spricht man also über Energiebilanzen gibt es drei mögliche Fälle: den Fall, in dem eine Bilanz mangels Ertrag unsinnig ist; den besseren Fall mit "Verlust" – bei erneuerbarer Energie selten - und den besten Fall mit Energiegewinn.

Letzteres ist der typische Fall bei der energetischen Nutzung von Biomasse. Um einen Hektar Raps zu produzieren, wendet man etwa 14 Gigajoule (GJ) auf (eine Hälfte für die Düngung und die andere als sonstiger Energieaufwand). Die Ernte hat einen Brennwert von ca. 135 Gigajoule, also fast das zehnfache. Das Stroh kann man bei durchschnittlichem Ertrag mit gut 50 GJ ansetzen. Das Schrot kommt mit 30 GJ hinzu. Diese 80 GJ sollte man nicht ignorieren, auch wenn man die Energie aus dem Stroh verschwendet, indem man es unterpflügt und beim Futtermittel Rapsschrot nur den Energiewert des gewonnenen Fleisches ansetzt. Immerhin könnte man Stroh und Schrot auch verbrennen. Aber selbst wenn man die 80 GJ gänzlich ignoriert, bleibt das Öl mit gut 55 GJ. Zieht man hiervon außer den obigen 14 GJ weitere 6 GJ für die Ölgewinnung und 8 GJ für die Veresterung ab, bleiben 27 GJ als Energiegewinn, der durch nichts wegdiskutiert werden kann. Ein Gewinn, der fast doppelt so hoch ist wie der Betriebsaufwand, würde auch den miesepetrigsten Ökonomen zum Strahlen bringen. Um so mehr, wenn er vorher ein Vielfaches des Gewinns (Stroh und Schrot) als "Stille Reserven" beiseite legen konnte.