Nr. 42 vom 21. Oktober 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In der vorigen Ausgabe des Bauernblattes hatten wir uns an dieser Stelle mit dem Schutz des Birkwildes befasst und dabei auch das Problem behandelt, dass der Birkhahn früher von der Gewinnung des Brennstoffes Torf profitierte. Die Aufgabe einer Nutzungsform bringt eine Wildtierart, die an diese Nutzungsform angepasst ist, unter Druck. Das Torfstechen wurde Anfang der fünfziger Jahre noch in großem Stil betrieben, kam Anfang der sechziger Jahre gänzlich zum Erliegen und dem Birkwild bekam das schlecht. Es befindet sich zurzeit am Rande des Aussterbens, wenn auch nicht nur wegen des Wegfalls der Torfgewinnung. Einen ähnlichen Fall gab es Anfang der neunziger Jahre bei den Kranichen in Vorpommern, man ließ es nur nicht so weit kommen wie beim Birkwild. Wenn die Kraniche zu DDR-Zeiten im Oktober aus Schweden einflogen, um sich für den Weiterflug nach Südspanien Reserven anzufressen, war der Tisch noch reich gedeckt. Damals wurde dort wie anderswo auch die Wintersaat noch später ausgebracht als es heute üblich ist, in der DDR wurde sogar länger noch als bei uns eher spät gesät. Die Kraniche holten sich die Saat aus der Erde und verursachten so teilweise große Schäden. Selbst die Quecksilberbeize, die es in der DDR noch bis zur Wende gab, so hört man im nördlichen Vorpommern lakonisch, hätten die Tiere gut vertragen.

Da die Kraniche gerne Körner fressen und mit aufgelaufener Saat nicht mehr so recht etwas anfangen können, wurde es für sie nach der Wende schlechter. Hinzu kam, dass die Maisernte mit Geräten nach westlichem Standard wesentlich verlustärmer und ebenfalls früher verläuft als vorher. Schließlich können Kraniche sauber gehäckselte Körner nicht aufnehmen. Obgleich der oberflächliche Betrachter gegenüber früher kaum Veränderungen wahrnimmt, veränderten sich für die Kraniche die Verhältnisse in Vorpommern grundlegend. Obgleich man sie zu DDR-Zeiten mit Mopeds und anderen Krachmachern vertrieb und sie nach der Wende vergleichsweise in Ruhe ließ, hatten sie es doch schlechter als vor dem Fall der Mauer.

Alarmiert durch rückläufige Zahlen fanden sich vor Ort Menschen zusammen, die etwas für die Kraniche tun wollten. Bauern und andere Dorfbewohner in Hohendorf, Prohn, Klausdorf etc. gründeten einen Verein. Der Schleswig-Holsteins Bauern aus seiner beruflichen Zeit bekannte Pflanzenschutzmann Jürgen Krostitz war auch dabei und gehört heute zu den aktivsten Kranichfreunden in Vorpommern. Sie schufen in einer alten Scheune auf dem früheren Gut Hohendorf eine Aussichtsplattform und – am wichtigsten - organisierten die Fütterung der Kraniche. 250 g Körner braucht ein Kranich pro Tag. Wollte man alle 50000 Vögel die dort jeden Herbst durchziehen, füttern, würde man bei zweiwöchiger Verweildauer 175 Tonnen aufwenden müssen. Gut 40000 DM, die das kosten würde, ist nicht einmal ein hoher Betrag. Tatsächlich ist es sogar weniger, weil die Kraniche auch sonst noch etwas finden. Der Staat fördert die Sache finanziell, so dass für die Bauern und ihre Hohendorfer Mitstreiter neben der Arbeit des Fütterns das finanzielle Engagement erträglich bleibt. Seit 1995 gibt es übrigens nur noch Förderung für Ablenkungsfütterung und nicht mehr für Ersatz von Schäden an den Kulturen.

Gemessen an den Geldmengen, die dem konkurrierenden Verein in Groß Mohrdorf durch die Spendengelder der überregionalen Naturschutzverbände zur Verfügung stehen, und mit denen sie im wesentlichen nur Öffentlichkeitsarbeit und Vogelzählungen machen, ist der Aufwand der Hohendorfer für die echte Lebenserhaltung der Kraniche eher gering und dennoch so effektiv. Und auch die Hohendorfer betreiben neben der Fütterung Öffentlichkeitsarbeit - auf und mit ihrer Aussichtsplattform sowie durch Führungen und verschiedene weitere Maßnahmen.