Nr. 5 vom 3. Februar 2001

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Die Wissenschaftsjournalistin Marianne Oertel formulierte es so: "Dieser Vorgang ist als Vertreibung aus dem Paradies in unseren mythologischen Fundus eingegangen." Die Rede ist von der Wandlung unserer Vorfahren aus der Rolle des Jägers und Sammlers in die Rolle des bodenständigen Ackerbauern und Viehzüchters. In diesem Zusammenhang gibt es hier und da einen Irrtum bzw. eine Halbwahrheit. Der größte Teil der Bevölkerungsexplosion ist nicht der Grund sondern die Folge der "Vertreibung aus dem Paradies". Wissenschaftler schätzen die Erdbevölkerung des Jahres 10000 vor Christi Geburt auf 10 Mio. Menschen und für die Zeitenwende auf 160 Mio.. In den 2000 Jahren danach wuchs die Erdbevölkerung doppelt so schnell wie in den 10000 Jahren davor.

Das Bild von der Vertreibung scheint nicht so ganz falsch zu sein. Sehen wir uns weiter in der Mythologie um, hat den Sammlern und Jägern ihr Dasein recht gut gefallen. Nicht von ungefähr auch werden die Jagd und das Sammeln von Beeren heute als Hobbys bzw. Freizeittätigkeit gepflegt. An einigen wenigen Völkern auf der Erde können wir es noch beobachten: Sie verfügen über eine relativ abwechslungsreiche Nahrung und über viel Muße, u.a. für ausgiebige Palaver. Leider haben unsere Vorfahren sich im Paradies nicht immer so ganz korrekt verhalten. Hier soll nicht behauptet werden, dass das der Grund für die "Vertreibung" war, obgleich in einigen Fällen so einiges dafür spricht. Dagegen spricht jedenfalls nicht die Entwicklung der nordamerikanischen Indianer, auch wenn die weißen Entdecker Nordamerikas im 16. Jahrhundert überwiegend Sammler und Jäger vorfanden. Einige hundert Jahre vorher hat es dort eine Mehrheit von Ackerbauern gegeben, die aus nicht ganz geklärten Gründen ihre festen Siedlungen verließen oder gar ausstarben. In Mesa Verde und an vielen weiteren Stellen können wir die leeren Reste der Siedlungen noch heute bewundern. Es deutet einiges darauf hin, dass Umweltsünden und mangelnde Nachhaltigkeit den Exodus hervorriefen.

Mangelndes Verständnis für die belebte Natur gab es in Nordamerika lange vorher, noch zu Zeiten des "Paradieses". Nordamerika vor 12000 Jahren: In einer Superserengeti tummelten sich elefantengroße Riesenfaultiere und Riesengürteltiere, Kormorane mit einer Spannweite von fünf Metern, drei Arten von Elefanten, außerdem Jagdleoparden, Riesenwölfe, langbeinige antilopenartige Schweine sowie viele Kamel- und Rinderarten. Nach der Einwanderung der Menschen, der Paläo-Indianer, vergingen nur 600 Jahre bis diese Tiere vollständig ausgerottet waren, bis auf eine Großwildart, das Bison.

Aus Mittel- und Osteuropa verschwanden vor 13000 Jahren ähnlich viele große Tierarten, u.a. Mastodon, Mammut, Wollnashorn und Säbelzahntiger. In Australien gab es kurz nach dem Auftauchen des Menschen vor gut dreimal so langer Zeit z.B. keine Riesenwombats und Riesenkängurus mehr, darüber konnten Sie sich vor zwei Jahren an dieser Stelle genauer informieren. Es scheint so zu sein, dass fast überall die "größten Braten" bevorzugt gejagt und dabei ausgerottet wurden. Hiervon gibt es wenige Ausnahmen, und die einzige eindeutige ist Afrika mit einer weltweit einmaligen Großtierfauna. Es klingt paradox, denn Afrika ist das älteste Siedlungsgebiet des Menschen, hier ist er aus einem mit den Menschenaffen gemeinsamen Vorfahren entstanden. Anthropologen nehmen an, dass sich die Großtiere Afrikas während der langen Zeit der Menschwerdung ihrer hominiden Nachbarn langsam an diese gewöhnen konnten, indem sie z.B. passende Fluchtinstinkte entwickelten. Überall sonst waren die Menschen – früher oder später - Einwanderer. Die Leute, die Aufsätze und Bücher über Fremdtierarten schreiben, könnten überlegen, ob nicht jeweils ein Kapitel über die eigenen Vorfahren dazu gehört. Nur Autoren in Afrika dürften auf dieses Kapitel verzichten.