Nr. 11 vom 17. März 2001

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Frau Künast will den Bauern, die seit Jahren, wie sie es sagte, unter dem Strukturwandel leiden, eine klare Perspektive geben. Das klingt, als wolle sie den Strukturwandel abschaffen. Was ist es denn, was da nach der Meinung der Ministerin abgeschafft oder vielleicht auch von Grund auf geändert werden soll. Strukturwandel kann man in Zahlen ausdrücken. Gemeint sind nämlich die Abnahme der Zahl der Betriebe, ihre deshalb wachsende Durchschnittsgröße und einige weitere statistische Parameter, die man Strukturdaten zu nennen pflegt. Vor dreißig Jahren hatten wir in Schleswig-Holstein knapp 44000 landwirtschaftliche Betriebe, zur Zeit sind es gut 22000 also etwa halb so viele, die jetzt ungefähr doppelt so groß sind, 12000 Betriebe im Haupterwerb, 10000 im Neben- und Zuerwerb.

Wer bei diesem Schrumpfungsprozess wann wie gelitten hat, wollen wir hier nicht näher untersuchen, denn dieses Leiden soll jetzt ja abgeschafft werden. Nur eine Bemerkung dazu: die jetzt noch wirtschaftenden Bauern, und von denen redet sie ja wohl, wenn sie von "den Bauern" spricht, haben sicherlich oft und unter vielem gelitten. Die Wachstumsraten mit durchschnittlich 2,3 % werden es nicht in erster Linie gewesen sein. Mehr gelitten haben unter dem Strukturwandel im Zweifel die, von denen Frau Künast in der Regierungserklärung nicht spricht, die andere Hälfte der heute nicht mehr wirtschaftenden Bauern nämlich. Der Strukturwandel wird weiter gehen, allein schon deswegen, weil immer weniger junge Menschen bereit sind bzw. den Mut haben, die Betriebe ihrer Eltern zu übernehmen. Und man darf wohl bezweifeln, ob durch die derzeitigen Ankündigungen von Frau Künast und anderen die Zahl der "Mutigen" zunimmt.

Eher wird ihre Zahl wegen der von der aktuellen Politik ausgehenden Verunsicherung noch weiter abnehmen. In wenigen Jahren werden die Statistiker es uns zeigen, inwieweit Leute wie Frau Künast das, was sie abschaffen wollten, noch verstärkt haben. Wenn in einem globalisierten Markt die Kosten bei uns steigen und die Ausgleichszahlungen zu Gunsten von Umweltprogrammen gekürzt werden, sinken die Einkommensperspektiven. Und anzunehmen, Aldi würde morgen durch Tausende von Tante Emma- und Hofläden abgelöst, ist doch wohl mehr als naiv. Nein, die jetzt modern gewordene Politik hat alle Anlagen in sich, die heimische Produktion zu reduzieren und den Anteil der importierten Produkte in den Regalen zu erhöhen. Exminister Funke hat sich nicht von ungefähr von dieser Politik abgesetzt.

Wenn nur mehr Urlauber in fernen Ländern die dortige Agrarproduktion unter die Lupe nehmen würden. Die schönen kleinen so ökologisch aussehenden Bananen auf Teneriffa z.B. stammen aus Plantagen, an deren Hoftoren nicht die Namen der Besitzer angeschlagen sind, sondern Werbeplakate für ein dort angewendetes bei uns seit langem nicht mehr zugelassenes Nematizid. 5000 mm Beregnung gehören dazu, teils Wasser aus den Bergen und teils ungeklärte Abwässer. Über schwarze Schläuche wird es zusammen mit Düngemitteln und dem Nematizid in die Kulturen gerieselt. Als das Nematizid bei uns noch zugelassen war, hatte es eine Wartezeit von acht Wochen. In Spanien soll es angeblich auch eine Wartezeit haben. Tatsächlich werden in den Plantagen täglich außer sonntags Bananen geschnitten, die schwarzen Schläuche aber hängen alle an einer Pumpe.

Den Bauern, die bei uns "seit Jahren unter dem Strukturwandel leiden", will Frau Künast "eine klare Perspektive zu ökologischerer und regionaler Produktion" geben. Sicherlich lässt sich der bei uns erreichte hohe Umwelt- und Qualitätsstandard weiter verbessern, und regionale Marktnischen müssen genutzt werde. Wer aber nichts anderes predigt, und dies, ohne den Überblick über das Ganze zu haben, wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Mut für eine ökonomische Zukunft machen solche Predigten nur bedingt.