Nr. 15 vom 14.April 2001

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Als der Schweizer Industrielle Julius Maggi 1887 neben seinen Speisewürzen eine Fleischbouillon aus bestem Muskelfleisch von schweizerischem Alpenvieh auf den Markt brachte, hatte er Medizin im Sinn. Die Kraftbrühe sollte geschwächten Kranken besonders schnell wieder auf die Beine helfen. Ärzte haben die "Concentrirte Kranken-Bouillon" verschrieben, und der Dramatiker Frank Wedekind, der kurzzeitig bei Maggi angestellt war, hat für sie geworben. Rund 150 Exponate aus fünf Jahrhunderten wurden im Medizinhistorischen Museum der Universität Zürich zusammengetragen. Die Ausstellung "Verehrt - Verflucht - Verwertet" wollte anschaulich machen, wie zwiespältig das Verhältnis des Menschen zum Tier ist, wenn es um die Gesundheit geht. Angst vor tierischen Krankheitserregern gehört ebenso dazu wie Dankbarkeit gegenüber den Tieren, die als Lieferanten für Arzneien und Organe dienen.

Die Exponate lassen die Gegensätze ins Auge springen. Da gibt es zum Beispiel Originalhaare von "Blossom", der heiligen Kuh der Impfgeschichte. Sie war es, der der englische Landarzt Edward Jenner am 14. Mai 1796 Flüssigkeit aus den Kuhpockenpusteln am Euter abnahm; damit impfte er einen Jungen. Auf diese Weise führte er das Prinzip der Schutzimpfung in die akademische Medizin ein. Der Fachbegriff für Impfung - Vakzination - geht auf das lateinische Wort Vacca für Kuh zurück und verweist noch heute auf die Leistung der Kühe in der Geschichte der Schutzimpfungen. Fliegenmaden wurden früher zur Behandlung schlecht heilender Wunden verwendet. Angst und Ekel vor Gewürm aller Art rühren wohl an tiefere Schichten. Der Glaube, dass Würmer eine Vielzahl von Krankheiten hervorrufen, beherrschte im 18. Jahrhundert nicht nur die Vorstellungen von Laien. Der Wurm war nahezu überall drin. Der "Herzwurm" war für Herzbeschwerden verantwortlich, der "Zahnwurm" für den schmerzhaften "Zahnfraß".

Tiere werden in der Ausstellung als Spender gewürdigt. Eine Schweineherzklappe erinnert daran, daß die Verpflanzung von Tiergeweben inzwischen zum selbstverständlichen Repertoire der modernen Transplantationsmedizin gehört. Ihre medizinische Nützlichkeit bewiesen Tiere in der Vergangenheit aber nicht nur als Ersatzteillager, sondern auch als Lieferanten für Arzneien. Die Ausstellung kann mit interessanten Substanzen aus dem alten Apothekerschrank aufwarten, wie zum Beispiel Fuchsöl, Ochsengalle, Krebsaugen, Murmeltierfett, Bibergeil oder Regenwurmpulver. Zahlreiche Einzelexponate erinnern zudem an den ungeliebten Lebertran, die Vitaminkur aus dem Meer. Wie man sie verabreicht hat, lässt der Lebertranlöffel erkennen: Ein Deckel hielt den unangenehmen Geruch fern, und über den hohlen Stiel konnte die Arznei dem unwilligen Kind eingeblasen werden. Auch die Alternativmedizin nutzte und nutzt Tiere als Arzneireservoir. Die Ausstellung dokumentiert, wie Paul Niehans Frischzellen aus dem Embryo von einem geschlachteten schwangeren Schaf gewinnt. Obgleich die Niehanssche Zelltherapie umstritten ist, gewann sie doch große Popularität. Zu den berühmten Anwendern werden Papst Pius XII., Charlie Chaplin und Konrad Adenauer gezählt.

Wenngleich die moderne Arzneimittelproduktion heute kaum noch den Gedanken an eine tierische Herkunft aufkommen läßt, gibt es doch zahlreiche Medikamente, die auf tierischen Grundstoffen basieren. Die Züricher haben dazu Beispiele aus dem modernen Apothekerschrank zusammengetragen. Fibrolan reinigt Wunden mit Wirkstoffen aus der Bauchspeicheldrüse von Rindern, Ossopan wirkt mit Kälberknochen gegen Osteoporose, Rinderlunge ist in dem bei Bypassoperationen eingesetzten Trasylol enthalten, und Mobilat soll bei Verstauchungen mit Substanzen aus der Luftröhre von Rindern helfen. Julius Maggi lag mit seinem Vertrauen in die Kräfte der Rindviecher vielleicht gar nicht so falsch.