Nr. 16 vom 21. April 2001

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Bei einer Pyramide in der Nähe von Kairo erklärte Walid, der ägyptische Fremdenführer, in bestem Deutsch und mit stolzer Miene: "Als diese Pyramide gebaut wurde, haben die Menschen in Deutschland noch auf den Bäumen gelebt." Die Äußerung ist zwar übertrieben, hat aber einen Kern von Wahrheit. Die Touristen waren auch nicht etwa beleidigt sondern ehrlich beeindruckt. Sie sagten: "Man muss gesehen haben, was hier vor knapp 5000 Jahren geleistet wurde." Walids Kollege in Luxor, er hieß Ahmed, hatte Vergleichbares zu bieten, wenn auch ca. 1000 Jahre Jüngeres. Aber als Rom, von vielen die Ewige Stadt genannt, gegründet wurde, waren auch die Gräber und Tempel von Luxor bereits 1000 Jahre alt. Ahmed hatte offensichtlich bei der anschließenden Bootsfahrt auf dem Nil die Eselskadaver im Wasser an verschiedenen Stellen des Ufers nicht gesehen. Als er sagte, das Nilwasser sei nicht nur sauber sondern sogar heilkräftig und sich demonstrativ damit das Gesicht wusch, wurde einigen der Besucher aus Deutschland regelrecht schlecht. Bei aller Bewunderung für die alte Kultur meinte der eine oder andere doch, in diesem Punkt umgekehrt ein Kulturdefizit entdeckt zu haben. Nein, sauber ist das Wasser im Nil und seinen Nebenarmen nicht, aber die Kinder baden darin und es wird am Ufer auch Wäsche gewaschen. Es ist Wasser, das eine lange Reise aus dem Quellgebiet des Nils hinter sich hat. Im Lande Ägypten regnet es praktisch gar nicht. Gäbe es den Nil nicht, gäbe es kaum Menschen dort. Das Nilwasser schafft einen grünen Streifen von 20 bis 40 Kilometern Breite und die Bedingungen für eine blühende Landwirtschaft. Getreide, Zuckerrohr und Futterbau sehen bestens aus auf winzigen Schlägen. Die durchschnittliche Betriebsgröße soll bei 0,5 ha liegen. Ein Esel, dessen zweirädriger Karren und eine Kuh (meist Wasserbüffel) gehören dazu. Als die Touristen gegen Mittag auf der Hinfahrt nach Luxor sind, sieht man nur wenige auf den Feldern arbeitende Menschen. Bei der Rückkehr am späten Nachmittag sieht man aber emsiges Treiben, jetzt lassen die Temperaturen fleißiges Arbeiten zu.

Im Jahre 2001 hat es bisher eine halbe Stunde geregnet, in den vier Jahren davor so gut wie gar nicht. Der letzte ausgiebige Regen fiel 1996, zweimal acht Stunden mit schweren Folgeschäden, u.a. einer zweitägigen Schließung des Flughafens und einer für Wochen unpassierbaren Wüstenstraße. Bei solchen überreichlichen Regenfällen, von denen wegen des steinigen Untergrundes fast nichts in den Boden eindringt, wird dann auch der Müll weg gewaschen. In der Stadt Hurghada gibt es wenige Stellen, die frei von Müll sind. Aber für die organischen Teile des Mülls gibt es eine Gesundheitspolizei. Weil in der Wüste für die Tiere nichts mehr zu fressen ist, sind die Beduinen mit ihren Ziegen in die Stadt gekommen. Dort fressen die anspruchslosen Wiederkäuer nicht nur Schalen von Kartoffeln und Orangen, nein, auch Papier verschmähen sie nicht.

Das Wasser im Roten Meer ist klar, wegen seines hohen Salzgehaltes auch hygienisch einwandfrei und damit zum Baden geeignet. Es hat viele Fische aller Farbkategorien und intakt aussehende Korallenbänke. Der Müll, der alle paar Jahre ins Meer gewaschen wird, legt sich peu a peu an den Stränden ab. Soweit es die Strände der Hotels sind, wird er so schnell weg gesammelt, dass die Touristen es kaum bemerken. Abends bekämpft einer die Mücken, die sich in den mit ungeklärten Abwässern gut gewässerten und damit automatisch auch gedüngten Grünanlagen reichlich vermehren. Pünktlich bei einsetzender Dämmerung zieht er mit einem sonderbaren Gerät durch die Anlagen, einem Zweitaktmotor mit riesigem Auspuffrohr. Nach dem Geruch der Qualmwolke wird der nicht nur mit dem üblichen Gemisch, sondern darüber hinaus mit Diesel und Petroleum betrieben. Die Hotelgäste flüchten von ihren Balkons und schließen so schnell es geht die Fenster. Die Eindrücke, die Ägyptens alte Kultur vermittelt, sind gewaltig. Groß sind aber auch die Gegensätze, soweit es um moderne Kultur geht. Unsere Maßstäbe des Umweltschutzes darf man dort nicht anlegen.