Nr. 20 vom 19. Mai 2001

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Die ca. 2 Mio. Pottwale, die die Weltmeere bevölkern, wiegen fast so viel wie alle Menschen in China. Da Pottwale sich ausschließlich von Tieren des Meeres ernähren, kann man sich angesichts des durchschnittlichen Fischverzehrs eines Menschen leicht ausrechnen, dass die großen Meeressäuger zur Befischung der Meere einen größeren Beitrag leisten als die Menschen. Die Pottwale sind nur eine von 90 Walarten, allerdings die mit der größten Biomasse. (Vor einem Jahr konnten Sie sich an dieser Stelle dazu näher informieren, nachlesen können Sie es auch unter http://www.drstamp.de/logisch/000422.html). Alle Ameisen dieser Erde wiegen mehr. Sie wiegen etwa so viel wie alle Menschen auf Erden. Sie sind allerdings keine Nahrungskonkurrenten des Menschen, ihre Ernährungsgewohnheiten sind vielmehr für den Menschen und überhaupt für das Leben auf Erden unentbehrlich. 90 Prozent aller toten Tiere (hauptsächlich Insekten) landen als Futter in Ameisennestern.

Bezüglich der gesamten Biomasse gibt es also zwischen Menschen und Ameisen keinen großen Unterschied. Und dennoch gibt es einen Unterschied; alle Menschen gehören einer Art an, während es bei den Ameisen 9500 der Wissenschaft bekannte Arten gibt. Allein dies gibt einen Einblick in die gewaltigen Dimensionen der Artenvielfalt. Im klassischen brasilianischen Regenwald gibt es vergleichsweise wenige Menschen. So wundert es nicht, dass dort das Gewicht aller Ameisen weit über das der Menschen hinausgeht. Es übersteigt aber auch das Gewicht aller Landwirbeltiere in diesen Bereichen um das vierfache. Das hätte mancher den kleinen unscheinbaren Tierchen nicht zugetraut, und es wird hier erwähnt, um ein Schlaglicht auf die ungeheure Artenvielfalt in den tropischen Ländern zu werfen.

Der größte Schatz dieser Länder sind dabei die sogenannten endemischen Arten. Das sind Arten, die nirgendwo außer in dem betreffenden Land vorkommen. Solche endemischen Arten gibt es in Deutschland laut Life Counts bei Säugetieren, Reptilien, Amphibien und Vögeln gar nicht. Man könnte also sagen: Verschwände Deutschland über Nacht von der Landkarte, würde dadurch keine der Arten dieser genannten Tiergruppen aussterben. Zum Vergleich: Für Brasilien nennt Life Counts bei Säugetieren 119, bei Reptilien 201, bei Amphibien 375 und bei Vögeln 185 endemische Arten. Deshalb wird Brasilien auch zu den 25 "Hotspots" der Erde gezählt, zu den Gegenden mit überdurchschnittlicher Artenvielfalt.

Zu diesen Hotspots hat die Weltnaturschutzunion IUCN jüngst in London eine neue Studie vorgelegt. Danach wächst die Bevölkerung in 19 dieser 25 Spots fast doppelt so schnell wie im Rest der Welt. In einer großen Frankfurter Zeitung las sich das Fazit der IUCN verkürzt so: "Im gleichen Maß wie die Zahl der Menschen wächst, wird sich auch der Bedarf an landwirtschaftlich genutzten Flächen ausweiten. Die Herausforderung besteht demnach darin, dieses Wachstum von dem Naturverbrauch zu entkoppeln." Diese Entkoppelung kann nur so aussehen, dass die Bauern auf den vorhandenen Flächen wesentlich mehr erzeugen und dass sie dort, wo sie weiter vordringen, dies naturverträglich tun. Dies war auch die Erkenntnis von London. Die Teilnehmer der Konferenz verwendeten in diesem Zusammenhang einen Begriff, den wir in ganz anderem Zusammenhang kennen. "Ökobauer" ist für uns ein Landwirt, der nach Ökorichtlinien wirtschaftet und dabei z.B. auf chemischen Pflanzenschutz oder mineralische Stickstoffdüngung verzichtet. In London verwendete man den Begriff für einen Bauern, der es durch sein Verhalten ermöglicht, dass in den "Hotspots" nicht noch mehr Naturfläche verbraucht wird, und wenn doch, dann auf naturverträgliche Weise. Ausdrücklich wird ihm zugestanden, Agrarchemikalien zu verwenden. Es geht um das Ziel und nicht um den Weg. Das erinnert an die interessanten Rechenmodelle von Prof. Dr. Gerhard Breitschuh aus Jena. Die Frankfurter Zeitung formulierte hierzu: "Öko ist eben nicht gleich Öko; Hauptsache man nennt es so."