Nr. 28 vom 14. Juli 2001

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

"Lange Zeit wurde der Boden nicht besonders beachtet", so hieß es jüngst in einer Pressemitteilung des Kieler Umweltministeriums. Das mag für das Ministerium oder auch für große Teile der Landesregierung gelten. Für die Landwirtschaft, für die Bauern als Berufsstand und für die landwirtschaftlichen Fachleute im Landwirtschaftsministerium sowie dessen nachgelagerten Behörden gilt das nicht und hat es auch nie gegolten. Für sie war der Boden stets eines der wichtigsten Güter, dem man allerhöchste Aufmerksamkeit widmete. "Er spielte allenfalls als Schadstoffsenke eine Rolle", heißt es weiter in der Mitteilung. Weiter unten erinnern die Damen und Herren in der Pressestelle sich dann doch noch daran, dass es irgendwie auch um die Erzeugung von Nahrungsmitteln geht. In dieser Hinsicht soll die Leistungsfähigkeit der Böden erhalten werden, allein auf ALDI will man sich also offensichtlich doch nicht verlassen. Weit weg von der berühmt gewordenen lila Kuh in den Darstellungen von Schülern ist das Ganze aber nicht.

Der Satz "Er spielte allenfalls als Schadstoffsenke eine Rolle" zeigt in aller Deutlichkeit, wie einseitig die Blickrichtung bei Abfassung des Textes war. Und das geht so weiter: Nährstoffanreicherungen im Boden beunruhigen das Ministerium. In früheren Zeiten gab es immer wieder ein anderes Phänomen, das einen vernunftbegabten Menschen wesentlich mehr beunruhigen konnte. Bevor die moderne Düngerlehre erfunden wurde, gab es verbreitet Nährstoffmangel in den Böden. Dabei bildete sich zwar eine Vegetation von Hungerkünstlerpflanzen, die heute Kleinodien für Biologen sind, aber leider wurden die Menschen auch immer wieder auf ihre Fähigkeiten als Hungerkünstler getestet. Und, was noch schlimmer ist, nicht wenige überstanden diese Tests nicht. Die Biologen und ihre Kleinodien verdienen Respekt, aber sie dürfen nicht wertebestimmend für alles sein. Eine richtige Gewichtung zu dieser Frage finden wir in den Kapiteln 14, 15 und 16 der Agenda 21, die Darstellungsweise des Umweltministeriums ist hingegen leider einmal wieder einseitig. Teilweise richtig ist, was die Pressestelle über Belastungsgefahren der Böden von außerhalb schreibt. In dem Zusammenhang haben die Bauern aber nicht vergessen, dass das Kieler Umweltministerium beim Thema Klärschlamm gelegentlich sorgloser war als die Landwirtschaft.

Da scheint sich jetzt etwas zu bewegen. Der Deutsche Bauernverband hat es klar formuliert. Er hat, nachdem die nordrhein-westfälische Ministerin Höhn durch ihre Kassandrameldungen zum Klärschlamm einen riesigen Pressewirbel ausgelöst hatte, die Politik aufgefordert, eine lückenlose Kontrolle aller Klärschlämme zu gewährleisten. Werde dies und noch so einiges mehr nicht sichergestellt, bleibe nur ein sofortiges Verbot von Klärschlämmen in der landbaulichen Verwertung. Man kann auch sagen, der Verband hat Frau Höhn gestellt. Sollte das Kieler Ministerium in dieser Hinsicht keinen Handlungsbedarf sehen, empfehlen wir allerdings dem grünen Minister Müller ein Gespräch mit seiner grünen Kollegin. Danach müsste er eigentlich zu neuen Erkenntnissen kommen.

Auffällig ist jedenfalls, dass das Wort Klärschlamm in der Pressemitteilung des Ministeriums nicht vorkommt. Das ist nicht nur einseitig, es ist auch entlarvend. Sollte aber wirklich kein Handlungsbedarf bestehen, erwarten wir klare Worte zur Unbedenklichkeit des Klärschlamms. Müller muss nur aufpassen, dass er bei der dann zu haltenden Rede nicht in Widerspruch zu vielen seiner eigenen Äußerungen gerät, denn 0,1 Mikrogramm sind 0,1 Mikrogramm, immer und überall. Höhn als Klärschlamm-Kassandra und er als Boden-Kassandra, vielleicht hat Nordrhein-Westfalen ja mehr Geld, um das Klärschlammproblem anderweitig zu lösen. Das klingt nach Dreigroschenoper mit Bertold Brechts Spruch "Erst kommt das Fressen und dann die Moral".