Nr. 46 vom 17.November 2001

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

 

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

 

Logisch ?

Wenn Basis die Gesamtheit dessen ist, worauf eine Sache ruht, waren die so genannten Basisgruppen der 68er Studentenbewegung unter Missbrauch der Sprache benannt. Meist handelte es sich nämlich um kleine Grüppchen, die alles Andere als gerade die Basis der gesamten Studentenschaft waren. Sie waren Minderheiten, und versuchten eine Aufwertung durch Verwendung des Wortes Basis zu erreichen. Ähnlich ging es damals mit dem Wort Vollversammlung. Wenn sich 20 Leute einer Fachschaft trafen, um irgendwelche Resolutionen zu verfassen, nannten sie das eine Vollversammlung. So entstand für den uneingeweihten außen stehenden der Eindruck eines Höchstmaßes an Qualität der Repräsentativität, die der Statistiker dann annimmt, wenn man alles erfasst, also nicht nur eine Stichprobe.

 

Nicht viel anders verhält es sich mit dem Wort Vollwertkost. Sie wird nicht nur mit dem Wort „Voll...“ aufgewertet, sondern oft auch noch als ganzheitlich bezeichnet, was der zweite Sprachmissbrauch in diesem Zusammenhang ist. Auch hier soll das Wort suggerieren, dass ein Höchstmaß an Qualität vorliegt. In diesem Fall geht es um den Nährwert für den Menschen. Mit einem solchen hohen Anspruch an Nahrungsqualität räumen die Autoren des Buches „Prost Mahlzeit – Krank durch gesunde Ernährung“ gründlich auf. Die Buchautoren unter Führung von Udo Pollmer sagen es sehr drastisch: „Die Vollwerternährung ist als Dauerernährung für den gesunden Menschen gescheitert.“

 

Die Art und Weise, mit der die Vollwertkost den Menschen nahe gebracht wurde, klang überzeugend. Der Nestor dieser Lehre, Max-Otto Bruker, plädierte dafür, die Nahrung so „natürlich“ wie möglich zu lassen, sie ohne jegliche vermeidbare Verarbeitung zu genießen. Das Argument war, kein Tier präpariere seine Nahrung, koche sein Gemüse oder backe Brötchen und bleibe prompt gesund. Auf der anderen Seite, und das arbeiten Pollmer und seine Mitautoren heraus, entwickeln viele Menschen nach einer gewissen Zeit gegen Vollwerkost einen Widerwillen. Die Autoren – selbst Ernährungswissenschaftler – erklären die Vollwertkost zwar für gescheitert, sie sagen aber ergänzend auch: „Gegen eine therapeutische Anwendung über kürzere Zeiträume unter ärztlicher Aufsicht ist dagegen nach unserem bisherigen Kenntnisstand nichts einzuwenden. Dann kann sie sogar nützlich und wertvoll sein, wie die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt haben. Danach ist allerdings wieder eine herkömmliche Gemischtkost ratsam.“

 

Pollmer, Fock, Gonder und Haug erklären in ihrem Buch das Problem so ausführlich, dass es hier nicht erschöpfend wiedergegeben  werden kann. Wir wollen nur auf einige Widersprüche innerhalb der Lehre von der Vollwertkost eingehen. So gelten Pommes zum Verdruss der Kinder von Vollwertanhängern als „übertrieben verarbeitete Lebensmittel“, während Knödelmischungen eine Stufe empfehlenswerter sind. Es bleibt unerfindlich, warum nach allen Regeln der Kunst pulverisierte Kartoffeln vollwertiger sein sollen als lediglich geschnittene und frittierte Stäbchen. Wäre nur die starke Erhitzung im Fett das Problem, dürften Bratlingsmischungen nicht um eine Wertstufe besser beurteilt werden. Honig wird von einigen zu den natürlichen Früchten gezählt, obgleich er im Prinzip nichts anderes ist als haltbar gemachter Zucker, eine „doppelte Sünde“ also. Sie scheinen auch nicht zu wissen, mit welchen Mengen an Magnesiumsalzen und Hitze man Soja behandeln muss, um Tofu herstellen zu können. Wüssten sie es, würden sie den pflanzlichen Käse einige Stufen niedriger einordnen. Raffinierte Öle werden schlechter eingestuft, als die aus ihnen hergestellte Margarine usw. usw.. Lassen wir solche unlogischen Heilslehren und halten wir uns an die „herkömmliche Gemischtkost“.