Nr. 48 vom 1. Dezember 2001

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

 

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

 

Logisch ?

 

Wenn das sich als wahr erweisen sollte, was wir hier im August als Frage in den Raum gestellt haben, müssen weltweit in unglaublichem  Umfang Politikinhalte verändert werden. Dann werden Nigel Calder und Henrik Svensmark vielleicht den Nobelpreis erhalten. Worum ging es an dieser Stelle im August? Es ist möglich, dass das Kohlendioxid bei der Erwärmung der Erde eine völlig untergeordnete Rolle spielt, das konnten wir mit aller Vorsicht nur zart antippen. Nach einer vor allem unter dänischen Wissenschaftlern verbreiteten Theorie sind für die Erwärmung der Erde in erster Linie die Aktivitäten auf der Sonnenoberfläche verantwortlich, und wenn die demnächst wieder nachlassen sollten, wird sich auch der Trend zur Erwärmung der Erde umdrehen.

 

„Kohlendioxid ist kein Problemgas, sondern das Gas des Lebens“, so formulierte Calder jüngst in einer Fernsehsendung des NDR. Die Sache ist also inzwischen hoffähig für das Fernsehen geworden, auch wenn darüber noch zurückhaltend und auf dritten Kanälen berichtet wird. Calder kam bei N III zu Wort und sehr ausführlich auch Svensmark. Ruft man in Suchmaschinen des Internet seinen Namen auf, wird man überschüttet mit meist positiven Stellungnahmen zu seinen Theorien. Das Internet scheint im Vergleich mit dem Fernsehen in diesem Fall das schnellere Medium zu sein. Sollte Svensmark sich eines Tages durchsetzen, müssen die Folgen für Politik und öffentliche Diskussion erheblich sein. Der Unterschied zwischen der Verursacherrolle des Kohlendioxids einerseits und der Sonne andererseits besteht immerhin darin, dass die Rolle des Menschen völlig verschieden zu sehen ist. Denkt man an Lösungsansätze in der Macht der Menschen, würde das Problem zum Unproblem. Jedenfalls tun wir gut daran, zukünftig bei Diskussionen über Klimagase immer den Zusatz zu machen: „Wenn sie denn die Verursacher sind...“.

 

So sind jüngere Veröffentlichungen über die Veränderungen der Genome von Organismen differenzierter zu sehen, wenn man Svensmarks Theorien mit einbezieht. Keine Frage, wenn die Erderwärmung fortschreitet, gibt es bei Tier und Pflanze genetische Veränderungen. Aber auch hier gibt es einen fundamentalen Unterschied, je nachdem, ob Svensmark Recht hat oder nicht. Nach der bisherigen Diskussionslage fahren die Änderungen der Genome auf einer evolutionären Einbahnstraße, wenn Svensmark richtig liegt, müssen wir von einem hin und her in der Evolution ausgehen.

 

Schauen wir uns dazu ein Beispiel an. Die mexikanische Kannenstrauchmücke legt ihre Eier in die wassergefüllten Blätter der Kannenpflanze, quasi in einen Mikroteich. Dort entwickeln sich auch die Larven, die erst im nächsten Frühjahr schlüpfen. Sie müssen nur aufpassen, dass sie nicht erfrieren. Deshalb fallen sie in einen Winterschlaf, wenn die Tageslänge einen bestimmten Wert unterschreitet. Dieser Wert ist ebenso wie der Wert für das Wiederaufwachen genetisch bedingt. Dabei gibt es eine gewisse genetische Varianz, die es der Mückenpopulation ermöglicht, sich an Veränderungen des Klimas anzupassen. Wird es wärmer und der Winter kürzer, haben die einen Vorteil, die spät einschlafen und früher wieder aufwachen. Sie haben eine höhere Überlebenschance und bestimmen verstärkt die genetische Situation in der Mückenpopulation. Werden die Winter wieder länger, was nach Svensmark als möglich angesehen werden muss, kann sich der genetische Prozess umdrehen. Wissenschaftler haben die Sache genau untersucht. 1972 war die durchschnittliche kritische Tageslänge 15 Stunden und 48 Minuten, 1996 nur noch 15 Stunden und 12 Minuten. Vielleicht werden die inneren Uhren irgendwann einmal wieder 36 Minuten zurückgestellt?