Nr. 10 vom 9. März 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Als wir vor einigen Jahren an dieser Stelle versuchten, den Unsinn der Trinkwassergrenzwerte durch einen Vergleich zu belegen, gab es Aufregung. Wir hatten darauf hingewiesen, dass man bei einigen der Pflanzenschutzmittel ganze Schwimmbecken voll Wasser austrinken müsse, wenn man sich durch Wasser mit leichter Überschreitung des Grenzwertes wirklich vergiften wolle. Fazit: man sei längst geplatzt, bevor auch nur die geringste Vergiftungserscheinung möglich wäre. Geschmackloser Vergleich war damals die Bewertung der Kritiker; sie hatten natürlich recht, aber mit normalen Argumenten war in dieser Frage auch nichts auszurichten.

Zu einem ähnlichen Vergleich sah sich jüngst der Pressesprecher der Europäischen Zentralbank, Manfred J. Körber, veranlasst. Man müsse 2500 Zehn-Euro-Scheine verzehren, um ebensoviel Tributylzinn aufzunehmen, wie in 200 g Meeresfrüchten natürlicher Weise enthalten sind, sagte Körber der Presse. Was war da los gewesen? Ein Berliner Rechtsanwalt hat Bundesregierung und Bundesbank verklagt. Die rötlichen Zehn-Euro-Scheine seien extrem gesundheitsschädlich. Der Anwalt bezichtigt Kabinett und Banker der "fahrlässigen Körperverletzung". Tatsächlich gibt es in den Scheinen Substanzen, die dafür sorgen, dass die Farben nicht verblassen, und die angeblich hoch giftig sind. Es geht dabei um 740 Mikrogramm zinnorganische Verbindungen pro Kilogramm, von denen es heißt, sie seien geeignet, das Immunsystem und das Hormonsystem von Mensch und Tier zu schädigen. Am gefährlichsten unter diesen Stoffen soll das Tributylzinn sein, weit giftiger als das meiste, was im chemischen Pflanzenschutz Anwendung findet.

Die Zeitschrift Ökotest hat bemängelt, dass die Scheine nicht vor ihrer Einführung detailliert auf mögliche Gesundheitsschädlichkeit untersucht wurden. Und ein Hormonspezialist von der Bonner Universität soll kategorisch erklärt haben, Hormongifte gehörten nicht in Geldscheine. So findet jeder seine Bühne. Wenn es stimmt, was Körber gesagt hat, ist das Ganze Theater, obgleich man den Verantwortlichen eine gewisse Ungeschicklichkeit nicht absprechen kann. Angeblich soll es weniger bedenkliche Alternativen geben, die in der Textilindustrie bereits umfangreich erprobt sind. In einer Zeit, in der das Restrisiko zum "höchsten aller Risiken" mutiert ist, muss man wohl auch an solche Dinge denken.

Den Landwirten kommen solche Vorgänge bekannt vor. So haben sie inzwischen gelernt, dass man seine Pflanzenschutzspritze nicht auf dem Hofplatz reinigt, sondern auf dem Feld, wo die Anwendung stattfand. Es würde zwar auch bei einer Reinigung auf dem Hofplatz kein Mensch auch nur im geringsten gefährdet werden, aber Grenzwertüberschreitungen im Klärwerk reichen für jede Menge Aufregung. Drei Unterschiede gibt es aber doch: Geldscheine werden anders als Trinkwasser nicht verzehrt, sondern dienen als Zahlungsmittel. Auf der anderen Seite liegen zwischen 740 Mikrogramm und 0,1 Mikrogramm Welten oder anders ausgedrückt der Faktor 7400 und außerdem, und das ist der Hauptunterschied: Die Geldscheine werden aller Voraussicht nach nicht kurzfristig aus dem Verkehr gezogen. Das Bundeskanzleramt hat den ganzen Vorgang bereits als absurd bezeichnet. So viel Realitätssinn bei den dortigen Damen und Herren hätte sich auch die Landwirtschaft so manches Mal gewünscht.