Nr. 13 vom 30. März 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Kurz vor Ostern ging es sozusagen als Festüberraschung durch die Presse. D. h., das Presseecho war gemessen an der möglichen Bedeutung der Sache sogar eher gedämpft, auffällig angesichts der Tatsache, dass es sich unter Umständen um den Lösungsansatz für alle Energieprobleme der Zukunft handeln könnte. Aber die Zurückhaltung der Presse ist verständlich, denn die Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium, um die es hier geht, wurde vor 13 Jahren schon einmal als erfolgreich erprobt in die Öffentlichkeit gebracht. Damals war es eine Falschmeldung, und dass kann natürlich diesmal auch der Fall sein. Vielleicht sind Öffentlichkeit und Medien mit Meldungen zum Thema Wasserstoff auch übersättigt, denn hinter dem Stichwort Wasserstoff verbergen sich mehrere Varianten. Es gibt schließlich auch die Diskussion um Wasserstoff als Brennstoff, eines von vielen herkömmlichen Verfahren, die als Zukunftslösungen verkauft werden.

Wenn das allerdings wahr ist, was jüngst durch die Presse ging, geht es um eine völlig andere Dimension. Es geht um eine Energiequelle mit praktisch unerschöpflichem "Brennstoffvorrat". Es geht um den Vorgang, der sich permanent auf der Sonne abspielt und dort unter auf Erden unvorstellbaren Rahmenbedingungen noch Millionen von Jahren das Sonnensystem mit Energie versorgen wird. In dem Fall ist der Wasserstoff nicht Brennstoff, er verbindet sich also nicht mit Sauerstoff oder irgendeinem anderen Element unter Energiegewinnung zu einer neuen chemischen Verbindung. Es werden vielmehr vier Wasserstoffatome zu einem Heliumatom verschmolzen, es entsteht also ein neues Element. Bei einem solchen Vorgang fällt unvorstellbar viel mehr Energie an als bei der Verbrennung.

Der Vorgang ist sehr gut vergleichbar mit der Reaktion, die Grundlage der gegenwärtigen Kernenergienutzung ist. Während es bei der Energienutzung aus Uran aber um den Zerfall von Uran geht, haben wir es hier mit einer Verschmelzung von Wasserstoff zu tun. Einem amerikanisch-russischen Forscherteam vom Oak Ridge National Laboratory in Tennessee ist nach den neuesten Meldungen diese Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium geglückt. Die Perspektive ist, dass in so genannten Fusionskraftwerken einmal das "Sonnenfeuer" kontrolliert zur Erzeugung elektrischer Energie genutzt werden kann. Bereits 1989, wie gesagt, waren zwei US-Forscher mit der Behauptung an die Öffentlichkeit getreten, sie hätten die Kalte Fusion im Labor realisiert. Darum geht es nämlich, weil bei der Heißen Fusion, wie wir sie auch von der Wasserstoffbombe kennen, viele Millionen Grad beherrscht werden müssten.

1989 entpuppte sich der vermeintliche Durchbruch als Flop. In den nächsten Wochen werden nun viele Forscher rund um den Globus die spannenden neuen Ergebnisse zu reproduzieren versuchen. Dann wird es sich zeigen, ob es tatsächlich eine Sensation ist, oder ob es wieder nur um Messfehler geht. "Es könnte eine gewaltige Ressource für die Menschheit sein", hat einer der Forscher von Oak Ridge gesagt. Und damit hat er zweifelsohne recht, wenn es nicht auch diesmal ein Flop ist. Im Erfolgsfall müssen allerdings ganze Denkwelten verändert werden. Die von vielen für zu gefährlich gehaltene Energiegewinnung aus Uran würde durch ein Verfahren ersetzt, das vermutlich größere Akzeptanz finden würde, obgleich es auch dabei um Kernenergie geht. Neben der wohl höheren Akzeptanz gäbe es noch einen weiteren fundamentalen Unterschied; während Uran eine endliche Ressource ist, ist die neue Energiequelle mit menschlichen Maßstäben gemessen unendlich. Was allerdings nicht bedeutet, dass Energie auch unendlich billig wird. Die Technologiekosten werden nämlich voraussichtlich sehr hoch sein.