Nr. 19 vom 11. Mai 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Hier soll nicht ausführlich wiederholt werden, was nach Agenda 21 unter nachhaltiger Landwirtschaft zu verstehen ist. Verdoppelung der weltweiten Nahrungserzeugung, schonender Umgang mit Ressourcen bei gleichzeitiger Intensivierung, das sind die wichtigsten Stichworte. Dazu gehört selbstverständlich auch das Bemühen, den höchstmöglichen Ertrag bei möglichst niedrigem Einsatz von Produktionsmitteln zu erzielen; es sind dies die Kennzeichen des Integrierten Landbaus. Angesichts der klaren Definitionslage erstaunt es immer wieder, welche Probleme viele Menschen in Deutschland haben, sich ein zutreffendes Bild von nachhaltiger Landwirtschaft zu machen. Sie nehmen die Agenda 21 nicht zur Kenntnis oder verfälschen ihre Inhalte, und dann gehen sie auf die Suche nach sogenannten Nachhaltigkeitskriterien.

Speziell in Regierungskreisen und bei bedeutenden Bundesbehörden erfreut sich in jüngster Zeit ein solches Kriterium ganz besonderer Beliebtheit. Dabei steckt das Problem nicht darin, dass das neue Lieblingskriterium von Grund auf ungeeignet ist. Das Problem steckt in der einseitigen Anwendung. Gerade die Menschen, die das Wort von der ganzheitlichen Betrachtungsweise besonders oft im Munde führen, verstoßen bei der Suche nach der nachhaltigen Landwirtschaft gegen dieses Prinzip. Es geht hier um den Stickstoffüberschuss im Nährstoffvergleich. Der ökonomisch orientierte Landwirt versucht, ihn so niedrig wie möglich zu halten, weil Stickstoffdünger Geld kostet. Im reinen Ackerbaubetrieb ist das relativ leicht, im Viehhaltungsbetrieb und besonders in der Milchviehhaltung ist es schwerer. Und es ist nicht nur ökonomisch besser, den N-Überschuss zu senken. Falsch ist es jedoch, wenn hier eine Art Kardinalkriterium für nachhaltige Landwirtschaft gehandelt wird.

Was hilft es, wenn in einem Milchviehbetrieb der N-Überschuss unter 50 kg liegt, aber die Milchleistung bei 4700 kg? Hier geht es um mehrere Verstöße gegen die Agenda 21: Der Methan-Ausstoß im Verhältnis zur erzeugten Milchmenge ist meist deutlich höher als im Hochleistungsbetrieb. Der höhere Flächenverbrauch geht zu Lasten von Flächen, die ganz oder bevorzugt dem Schutz der natürlichen Vielfalt gewidmet werden könnten. Ja, man wird das Hauptziel der Agenda 21, die Versorgung einer weltweit wachsenden Bevölkerung, verfehlen. In Europa hätten wir eine deutliche Unterversorgung; wer soll die Lücken schließen? Wo sollen die Importe herkommen, und was ist mit der Rolle des Verbraucherschutzes bei steigenden Importen?

Es kommt hinzu, dass das Kriterium allein angewendet nicht verantwortbar ist, es trägt auch einige Schwächen in sich selbst. Menschen, die beim Betrieb ihrer PKWs ohne zu fragen mit Wirkungsgraden von weniger als 50% umgehen, stellen beim Düngestickstoff weit strengere Anforderungen. Dabei stört es sie auch meist wenig, dass große Teile der von ihnen verschwendeten Energie umweltneutralen molekularen Stickstoff in umweltrelevante Stickstoffverbindungen umbaut. Beim von Landwirten eingesetzten Stickstoff aber erwarten sie einen Wirkungsgrad von möglichst 100%, was eine Illusion ist. Die Düngeverordnung arbeitet für Gülle mit einem Wirkungsgrad von 70% und für Festmist von 55%, beides ist schwer einzuhalten. Es geht hier um die Verluste bei der Ausbringung und Lagerung, unsere Bauern haben ein umfangreiches und ständig besser werdendes Instrumentarium zur Verminderung dieser Verluste, aber man sollte nicht zu viel von ihnen verlangen. Eine Verlustquelle wird übrigens von der Düngeverordnung gar nicht berücksichtigt, die Umwandlung von Stickstoffverbindungen zu molekularem Stickstoff im Verdauungsapparat von Schwein und Rind. Hier ist die Rede vom größten Anteil der tierischen Abgase und von der Umkehr dessen, was unsere Kritiker der Umwelt antun.