Nr. 27 vom 6. Juli 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Die Hersteller von Süßstoffen bzw. Zuckerersatzstoffen sind grundsätzlich Konkurrenten unserer Bauern. Wo Zucker ersetzt wird, fallen die Erwerbschancen durch Anbau und Verarbeitung von z.B. Rübenzucker weg. Nun gibt es verschiedene Arten von Süßstoffen. Da sind einmal Saccharin, Cyclamat & Co., rein industrielle Produkte, für die Rohstoffe aus der Landwirtschaft nicht im Spiel sind. Diese Stoffe erkennt man an der sehr geringen Substanzmenge, die für einen Süßungsvorgang gebraucht werden. Daneben gibt es aber auch Stoffe, die chemisch genau so als Zucker anzusprechen sind wie Rohr- oder Rübenzucker. Sie haben einen vergleichbaren Energiegehalt und unterscheiden sich deshalb grundlegend von Saccharin & Co., die praktisch keinen Energiewert haben. Solche Zucker eignen sich als Zuckerersatz aber nur bedingt, wenn sie z.B. schlecht bekömmlich sind.

Der eine oder andere mag jetzt an das Milchzuckerproblem in bestimmten Völkern denken, die nicht über die entsprechenden Enzyme verfügen, um diesen Zucker aufschließen zu können. Abgesehen davon, dass Milchzucker keine besonders hohe Süßkraft hat, bekommt er den betroffenen Menschen z.B. in Südostasien oftmals schlecht. Er verursacht bei ihnen Blähungen. Für uns ist er ein wertvoller Bestandteil der Milch, hat allerdings seinen Energiewert, der bei den Angaben auf den Joghurtpackungen auch entsprechend berücksichtigt wird. Für uns ist er also kein Ersatzstoff, und dort, wo er es sein könnte, bekommt er nicht.

Aktuell in der Diskussion ist ein anderer Stoff, der so gesehen überwiegend Vorteile hat. Er soll bestens bekömmlich sein, hat für den Menschen praktisch keinen Energiewert und eine sehr hohe Süßkraft. Und dann hat er noch einen Vorteil, er ist pflanzlicher Herkunft, für den einen oder anderen Bauern eine mögliche Anbaualternative. Der lateinische Name der Pflanze ist Stevia Rebaudiana, in Deutschland scheint sich der Name Honigkraut einzubürgern. Bei der Europäischen Kommission läuft ein Zulassungsverfahren für die bis zu 60 cm hohe Pflanze. Für die landwirtschaftliche Praxis laufen entsprechende Forschungs- und Entwicklungsvorhaben an der Universität Hohenheim. Die Hohenheimer sprechen von einem möglichen Ersatz für den Anbau von Tabak, wo dieser einmal unwirtschaftlich werden könnte. Das Honigkraut hat in den Blättern einen Speicherstoff namens Steviosid. Dieser Stoff schmeckt sehr viel süßer als herkömmlicher Zucker, ist kein Zucker im chemischen Sinne. Er hat einen theoretischen Brennwert, der aber für den menschlichen Organismus nicht verwertbar ist.

In den bisherigen Anbauländern ist der Anbau mit sehr viel Handarbeit verbunden. Für unsere Verhältnisse liegen also auch hier Aufgaben für Forschung und Entwicklung. Pflanzenbaulich interessant ist die Tatsache, dass die Pflanze immer wieder austreibt und angeblich drei bis fünf Jahre lang genutzt werden kann. Bis zur Einführung in die landwirtschaftliche Praxis werden noch Jahre vergehen, zumal auch bezüglich der gesundheitlichen Unbedenklichkeit noch Versuche laufen. In diesem Bereich liegen die Meßlatten bei uns hoch. Allein die Tatsache, dass es sich um ein in Japan seit 30 Jahren gängiges Konsumgut handelt, reicht da nicht aus. Aber am Ende steht vielleicht die Chance, Marktanteile, die Saccharid & Co. uns genommen haben, zurück zu gewinnen.