Nr. 29 vom 20. Juli 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Der Trend ist ungebrochen, täglich gehen der Land- und Forstwirtschaft in Deutschland etwa 120 ha fruchtbarer Boden verloren. Hinzukommen die Ausgleichsflächen für diese Eingriffe, die das Mehrfache der eigentlich versiegelten Flächen betragen. Häufig werden gerade die fruchtbarsten Böden überbaut oder als Ausgleichsflächen für Natur- und Landschaftsschutz verwendet. Sieht man das Ganze rein aus Sicht der Landwirtschaft und betrachtet den Verlust von 120 ha als Belastung, so wird die Landwirtschaft durch das System der Ausgleichsflächen praktisch dafür bestraft, dass sie belastet wird.

Die 120 ha stellen übrigens einen Saldo aus einem noch höheren Verlust landwirtschaftlicher Flächen und einem gewissen Anstieg der Waldflächen dar. Nun hat man in Deutschland offensichtlich jedes Gefühl dafür verloren, wie tückisch es sein kann, wenn landwirtschaftliche Nutzflächen verloren gehen. Die Hungerzeiten liegen weit zurück, Gemüsefelder auf dem Bahnhofsvorplatz in Hannover oder im Berliner Tiergarten liegen inzwischen außerhalb der Lebenszeit der allermeisten Menschen in Deutschland und sind in Chroniken über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg als vergilbte Bilder anzusehen.

Es kann doch nichts dabei sein, so wird mancher denken, wenn in einem Land, in dem ohnehin aus Marktgründen Flächen stillgelegt werden, aus anderen Gründen Flächen ganz für die Produktion verloren gehen. Auf den ersten Blick ist das richtig, aber leider bei langfristiger Betrachtungsweise nicht. Politische Entscheidungen werden meist aufgrund kurzfristiger Prognosen getroffen. Die Stabilisierung der Nahrungsmittelproduktion bei wachsender Weltbevölkerung mag noch so zwingend sein, ihrer Logik kann sich eigentlich niemand entziehen. Aber sie erfordert eine so langfristige Betrachtungsweise, dass sie für die Politik in unserem Land noch nicht relevant ist.

Dabei wäre es ein leichtes, jedenfalls den Unfug und den Wildwuchs in diesem Sektor zu beseitigen. So liegen schätzungsweise in Deutschland 70.000 ha Industrieflächen brach. Mehr als die Hälfte aller landwirtschaftlichen Hofstellen sind nach Expertenschätzungen ganz oder teilweise ungenutzt. Hier liegen Reformansätze ungenutzt, denen die Politik sich schleunigst zuwenden sollte.

Aber auch im weiten Feld der Verwendung von Flächen zu Naturschutzzwecken gibt es für Reformer viel zu tun. Um Missverständnissen vorzubeugen, wir können es uns zur Zeit leisten, Flächen aus der Produktion zu nehmen oder zu extensivieren, obgleich dass der Gesamtzielsetzung der Agenda 21 diametral entgegensteht. Aber die Erkenntnis, dass wir uns dies leisten können, entbindet uns doch nicht von der Pflicht, das, was wir tun, ordentlich zu machen. Es gibt so manche Ausgleichsfläche oder sonstige Naturschutzfläche, für die ein Konzept nicht existiert und bei der ihre Eigentümer bzw. Betreiber um ein solches auch nicht bemüht sind. Es gibt einheitliche Berechnungsverfahren zur Bewertung ökologischer Leistungen. Warum finden diese nicht stärker Eingang in die Praxis? Warum geht die Politik so zögerlich an die Möglichkeit der Optimierung des Ausgleichs von Eingriffen durch Nutzung von Ökokonten und Flächenpools heran? Eine Eigentumsumschreibung zugunsten einer dem Naturschutz verpflichteten Organisation ist eben für sich genommen, noch kein Naturschutz. Da bedarf es intelligenterer Lösungen. Der Bauernverband hat hierzu schon vor Jahren Modelle vorgelegt.