Nr. 30 vom 27. Juli 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Es gibt eine neu entdeckte Klasse von Antibiotika, die vermutlich eine ganz besonders wichtige Eigenschaft haben, nach Ansicht der Molekularbiologen wird es gegen sie keine Resistenzen geben. Was macht die Forscher bei einer erst jüngst entdeckten Substanz so sicher bezüglich dieser Aussage? Es gibt dieses Stoffe, chemisch sind es Peptide und man nennt sie Defensine, wahrscheinlich seit Jahrtausenden und es wurden bisher keine resistenten Keime gegen sie bekannt. Auch der Wirkmechanismus spricht dafür. Die Peptide bilden Oligomere, die sich in die Zellmembran der Mikroorganismen einlagern und eine Art Pore bilden. Die so durchlöcherten Organismen gehen zu Grunde. Die Defensine sind Teil der angeborenen, nichtadaptiven Immunität des Menschen. Sie wurden aber auch schon bei Pflanzen, Insekten, Fröschen und einigen Säugerarten nachgewiesen. Außer in Alveolarmakrophagen, in denen sie entdeckt wurden, kommen sie auch auf verschiedenen Epithelien vor.

Zwei Probleme gibt es noch mit dieser attraktiven Substanz, über die zur Zeit in medizinischen und pharmazeutischen Zeitschriften hoffnungsvoll geschrieben wird: Wenn man sie in bisherigen biotechnischen Verfahren herstellt, können sie mit humanpathogenen Erregern verunreinigt sein. Außerdem gibt es bisher keine geeigneten Verfahren, sie in den erforderlichen Mengen kostengünstig herzustellen. "Wenn diese Substanz in großer Menge erzeugt werden kann, gibt es dafür gute Marktchancen", ist der Geschäftsführer der Kieler Planton GmbH, Michael Kleine, überzeugt. Und er sieht auch einen Weg, wie dies geschafft werden kann, jedenfalls für das Human-Beta-Defensin-alpha 2 (HBD- alpha 2), das zu der Gruppe von kationischen antimikrobiellen Peptiden – den Defensinen – zählt. Human-Beta-Defensin-alpha ist ein natürliches Antibiotikum der menschlichen Haut, das die Hautflora gegen ein breites Spektrum von Erregern wie Bakterien, Pilzen und einigen Viren schützt.

Das Kieler Unternehmen benutzt Pflanzen als Bioreaktoren: In transgenen Kartoffeln stellt es Defensine her. Die Methode ist denkbar einfach: Die Wissenschaftler schleusen ein menschliches Gen in Kartoffelzellen ein und ziehen aus den so veränderten Zellen transgene Organismen. In diesen Kartoffeln ist das Fremdgen aktiv und die Zellen der Pflanze bilden das humane Protein, das dann aus der Knolle isoliert werden kann. Die Zukunftsperspektive ist eine kostengünstige großtechnische Herstellung. Bei einem solchen Verfahren können Defensine auch nicht mit humanpathogenen Erregern verunreinigt sein.

Noch in diesem Jahr will Planton mit ersten vorklinischen Tests für Defensine beginnen. "Die Beweisführung, dass das Prinzip funktioniert, den "proof of concept", haben wir bereits abgeschlossen", sagt Norbert Wedel, Leiter der Abteilung Molekularbiologie bei Planton, und fügt hinzu: "Die Kartoffeln exprimieren das Protein. Als nächstes müssen wir genügend Protein isolieren und reinigen, um damit in Studien der klinischen Phasen I und II eintreten zu können." So wie wir die gentechnologische Szene bisher kennen gelernt haben, wird es gegen diese Kartoffeln keine allzu großen Widerstände geben, da sie den unzähligen gentechnisch hergestellten Medikamenten lediglich ein weiteres hinzufügen und es nicht um Nahrung geht. Den Kieler Forschern sei es gegönnt. Oder ob es hier wie jüngst bei den Kartoffeln mit besonders darmverträglichen Ballaststoffen zu Zerstörungen von Versuchsfeldern kommt? Die militanten Gegner der Grünen Gentechnologie stoßen wohl demnächst an ihre Grenzen, wenn es um die Unterscheidung von "gut und böse" geht. Eine Grenzlinie, die zwischen "bösen" darmverträglichen Ballaststoffen und "guten" moderneren Antibiotika verläuft? Für vernünftig denkende Menschen nicht möglich.