Nr. 36 vom 7. September 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Walter Krämer berichtet in seinem Buch "Die Panikmacher" von einer Tübinger Ärztin, die in den 80er Jahren eine Reihe nicht näher genannter Krankheitssymptome an sich verspürte. In einer sensationellen Report-Fernsehsendung machte sie dafür ein Insektizid verantwortlich. Kurz darauf meldeten sich über 150 Betroffene mit ähnlichen Symptomen. Soweit sie aus dem Einzugsbereich von Tübingen stammten, landeten sie mehr oder weniger automatisch bei dieser Ärztin, und bald sprach man von der "Tübinger Krankheit". Krämer sagt sogar, sie sei in die Annalen der Medizingeschichte eingegangen und berichtet dann weiter davon, dass die Ärztin aus Tübingen wegzog. Danach trat auch die Tübinger Krankheit in Tübingen nicht mehr auf.

Statt "Tübinger Krankheit" kann man auch "deutsche Krankheit" sagen. Wir erleben eine beispiellose Desinformationskampagne, die unsere Umwelt kaputter redet als sie ist,
unsere Gesundheit als ständig gefährdet ansieht und ein ganzes Volk zu Opfern des Fortschritts, zu Kranken und Hilfsbedürftigen zu machen sucht. Die Panikmacher, so Krämer in seinem Buch, kontrollieren große Teile der Medien, predigen auf unseren Kanzeln und besonders häufig sind sie in deutschen Lehrerzimmern anzutreffen. Seit Krämer seine Sätze über die Tübinger Ärztin schrieb, ist die Lebenserwartung in Deutschland erneut gestiegen, das schert sie alle nicht.

Angeblich ersticken in Deutschland jährlich 800 Menschen an Fischgräten, Schinkenscheiben oder anderen sperrigen Nahrungsgegenständen. Tausend Menschen werden jährlich in Deutschland ermordet, und es gibt wohl tatsächlich 4000 tödliche Stürze von Haushaltsleitern. Eine Mehrheit ist davon überzeugt, einen Zusammenhang zwischen der neuen Form der Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung (vCJD) mit BSE bei Rindern sehen zu müssen, es spricht einiges dafür, und man wird es deshalb für möglich halten müssen. Aus der Zahl der erkrankten Rinder wurden anfangs für Großbritannien 500000 Erkrankungen beim Menschen prognostiziert. Die Prognosen werden derzeit laufend nach unten korrigiert, weil die neu hinzugekommenen Erkrankungsfälle von weit geringerer Zahl sind, als es nach den bisherigen Prognosen der Fall sein müsste.

Die verschiedenen Prognosen für Großbritannien schwanken derzeit zwischen maximal 6000 bis zum Jahr 2040 und wenigen 100. Nimmt man von diesen neueren Prognosen die ungünstigsten und rechnet anhand der erkrankten Tiere in Deutschland dies alles auf Deutschland um, kommt man angeblich auf 6 Fälle vCJD bis zum Jahr 2040 in Deutschland, sechs Erkrankungen in 40 Jahren. Wahrscheinlich werden es weniger sein, denn in Deutschland wurde viel rigoroser vorgegangen als in den ersten Jahren in Großbritannien. Wie auch immer: Für die Betroffenen und ihre Familien wird es eine Katastrophe sein, aber für eine Gesellschaft als Ganzes, in der jährlich 500 Menschen in Baggerseen ertrinken, 600 verbrennen oder 8000 durch Verkehrsunfälle sterben, sollten maximal sechs Tote in 40 Jahren eigentlich eine Randerscheinung bleiben. Die Medien werden gegebenenfalls dafür sorgen, dass es anders läuft. Übertriebene Darstellungen von bestimmten Bereichen der Medien und von bestimmten Politikern haben den deutschen Bauern schon in der Vergangenheit unendlich viel Schaden zugefügt. Sollte es irgendwann den ersten vCJD-Toten in Deutschland geben, wird sich das alles wiederholen. Die Tatsache, dass dann von einem zukünftigen Infektionsrisiko keine Rede sein können wird, weil dann die Krankheit beim Rind ausgerottet sein wird, werden sie ganz niedrig hängen. Wer es gut mit den Bauern meint, sollte sich auf diesen Moment frühzeitig positiv einstellen.