Nr. 48 vom 30. November 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Im Treibhaus wurde es immer wieder nachgewiesen, im Freiland ist der Nachweis schwer zu führen. Aber der Effekt besteht nach neueren Erkenntnissen wohl draußen genauso. Das ist das Ergebnis einer Studie, die in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "New Phytologist" erschien. Es geht um die Ertragssteigerung durch höhere Konzentrationen an CO2 . Probleme gibt es allerdings, wenn man die Interpretation der Forschungsergebnisse den Ökologen überlässt. Wie automatisch werden dann Kassandra-Meldungen draus. "Ausgewogene Ernährung könnte schwerer werden" oder "Klimawandel schadet dem Acker", so war es in den Zeitungen zu lesen. In den VDI - Nachrichten klang das so: "Mit dem Klimawandel schwindet die Qualität von Getreide und Feldfrüchten. Zu diesem Schluss kommen US- Forscher in einer neuen Studie. Ihr Fazit: Bei höherem CO2-Gehalt der Atmosphäre wachsen Pflanzen zwar besser und entwickeln mehr Samen, gleichzeitig aber sinkt ihr Nährstoffgehalt.

Die gute Nachricht: Der steigende Kohlendioxidgehalt (CO2) in der Atmosphäre fördert Wachstum und Vermehrung von Pflanzen. "Quantität und Qualität einiger Ackerfrüchte entwickeln sich entgegengesetzt", sagt Peter Curtis, Ökologe an der Ohio State University und Autor der Studie. Der Nährwert der Pflanzen nehme ab, weil sie bei höheren CO2-Gehalten der Atmosphäre zwar mehr Samen produzieren, aber in den Samen weniger Stickstoff speichern. "Um den Qualitätsverlust auszugleichen, müssen Menschen und Tiere mehr Obst und Gemüse essen", erklärt Curtis. Das sei für die Mast von Tieren von großer Bedeutung. Curtis: "Stickstoff ist eine entscheidende Voraussetzung für den Aufbau von Eiweiß und damit von Muskelfleisch bei Tieren.

Für seine Studie führte der US-Forscher eine so genannte Meta-Analyse durch: Er analysierte die Daten von 159 wissenschaftlichen Untersuchungen über den Einfluss von CO2 auf das Wachstum von Pflanzen - vom Jahr 2000 zurückgehend bis ins Jahr 1983. Curtis Angaben zufolge handelt es sich dabei um die weltweit erste Meta-Studie, die sich mit dem Einfluss des Klimawandels auf das Wachstum von Pflanzen beschäftigt. Curtis analysierte auch solche Studien, bei denen experimentell im Treibhaus der CO2-Gehalt der Atmosphäre verdoppelt wurde. Das entspricht den Prognosen, die die Klimaforscher für die nächsten 100 Jahre aufgestellt haben. Im Ergebnis zeigte sich: Bei einem derart hohen CO2-Niveau produzieren die Pflanzen mehr Blüten (im Durchschnitt plus 19 %) und entwickeln außerdem mehr Samen (plus 16 %), die rund ein Viertel mehr auf die Waage bringen. Zugleich fiel der Stickstoffgehalt in den Samen um durchschnittlich 14 %.

Für Pflanzenbauer sind die negativ klingenden Erkenntnisse keine Neuigkeit. Zur Ernte 2002 konnte man es anschaulich in der Praxis sehen. Schlechte Erträge waren – der einzige Lichtblick – mit hohen Proteingehalten verknüpft, die Umkehrung des Verdünnungseffektes. Handel und Mühlen machte sich den Umstand zunutze. Wegen der niedrigen Fallzahlen kauften sie den Weizen billig und vermischten ihn mit Importweizen, den sie wegen der niedrigen Proteinwerte ebenfalls billig gekauft hatten. Danach stimmte beides, Fallzahlen und Proteinwerte. Da sich aus der amerikanischen Studie auch ergeben hat, dass die eigentlichen Eiweißpflanzen wie Ackerbohnen und Soja den Verdünnungseffekt durch höhere Erträge nicht zeigten, sollten wir das Ganze überwiegend positiv sehen. Wegen der CO2-Gehalte der Atmosphäre wird die Eiweißversorgung der Menschheit nicht zusammenbrechen. Übrigens: der größte Fehler, wie so oft bei Pressedarstellungen, stand in einer Überschrift: "Klimawandel schadet dem Acker". Von vier Worten sind drei falsch. Erstens fehlt es wahrscheinlich (s.o.) am Schaden, zweitens geht es gar nicht um Folgen des Klimawandels sondern des CO2-Gehaltes und drittens gibt es – wenn überhaupt - einen Schaden beim Proteingehalt, nicht beim Acker.