Nr. 35 vom 3. September 1994

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Nach dem in Deutschland geltenden Trinkwasserrecht dürfen Pflanzenschutzmittel nur maximal mit 0,1 Mikrogramm pro Kilogramm im Trinkwasser enthalten sein. Dies ist eine sehr kleine Menge: Wenn 100 Menschen 70 Jahre lang täglich zwei Liter von solchem Wasser verbrauchen, haben sie am Ende ihres Lebens gerade soviel von dem Stoff verbraucht, wie eine Kopfschmerztablette wiegt. So eindrucksvoll dieses Beispiel auch ist, es ist allein kein überzeugendes Argument, den Trinkwassergrenzwert als unnötig streng einzuordnen.

Auch die Tatsache, dass bei uns hochgiftige Stoffe, wie zum Beispiel Arsen im Trinkwasser in einer Menge enthalten sein dürfen, die 400mal so hoch ist wie die von Pflanzenschutzmitteln, erfasst die Problematik nicht vollständig, auch wenn die haarsträubende Unsachlichkeit des Trinkwassergrenzwertes sich hier schon andeutet.

Für eine vollständige Bewertung muss man sich der Gruppe der Pflanzenschutzmittel schon selbst zuwenden und dann wird es deutlich, worum es geht:

- Der Grenzwert gilt für alle Pflanzenschutzmittelwirkstoffe gleichermaßen. Dies kann nicht sachgerecht sein, denn innerhalb der Klasse der Pflanzenschutzmittel gibt es bezüglich der Toxizität Unterschiede im Verhältnis wie 1 : 100 000. Neben starken Giften gibt es dort Mittel, die dann, wenn sie auf einem anderen Weg als über den Pflanzenschutz ins Grundwasser gelangen, von niemandem als Problem angesehen werden.

- Zur Gruppe der Pflanzenschutzmittel nach dem Trinkwasserrecht gehören die Stoffe, die eine Zulassung nach dem Pflanzenschutzgesetz haben. Stellen wir uns einmal fünf Stoffe vor, die zur Zulassung anstehen. Der erste Stoff fällt durch, weil er schon bei seiner Herstellung für die Fabrikarbeiter zu gefährlich ist, der zweite Stoff fällt durch, weil er für die Landwirte in der Anwendung zu gefährlich ist, der dritte Stoff fällt durch, weil er für das Grundwasser ein ernstes Problem darstellt und der vierte Stoff, weil er eine Gefahr für unsere Nahrungsmittel darstellt. Nur der fünfte Stoff, der diese vier genannten Mängel nicht hat, wird zugelassen. Und nur dieser fünfte Stoff unterliegt deshalb dem strengen Grenzwert für Pflanzenschutzmittel. Nach europäischem Sprachgebrauch ist er ein Pestizid, die anderen vier Stoffe sind es nicht.

Man mag es kaum glauben, dass Politiker ihre Entscheidungen über die Trinkwassergrenzwerte auf einer so schwachen sachlichen Grundlage getroffen haben.