Nr. 44 vom 5. November 1994

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In letzter Zeit hat der Bericht der Bundestags-Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" in der Landwirtschaft für einige Unruhe gesorgt. Es wurde einmal mehr deutlich, wie gering das Fachwissen sogenannter "hochkarätiger" Kommissionen sein kann. Die leichtfertige Übertragung von globalen Emissionswerten der Landwirtschaft auf die deutsche Landwirtschaft, die durch eine teilweise einseitige Pressedarstellung noch verstärkt wurde, ist inzwischen eingestanden und richtiggestellt.

Schwere sachliche Fehler finden sich aber auch in Detailfragen, die bisher in der öffentlichen Diskussion weniger hervorgetreten sind. So wird von der Kommission beispielsweise als Mittel zur Reduzierung von Kohlendioxyd-Emissionen die Verwendung von Müllkompost in der Landwirtschaft als Alternative zur Verbrennung von organischen Siedlungsabfällen vorgeschlagen. Soweit es bei einer Verwendung von Müllkompost zu einer Humusanreicherung im Boden kommt, und dies betrifft nur einen sehr kleinen Teil des Kohlenstoffs im Müllkompost, kommt es tatsächlich zu einer etwas geringeren Freisetzung von Kohlendioxyd als bei der Verbrennung. Diese Emissionsverringerung ist allerdings nur klein, und bei gleichbleibenden Humusgehalten im Boden ist sie gleich Null.

Auf der anderen Seite ist die Umwandlung von Kohlenstoff zu Kohlendioxyd bei der Kompostherstellung und bei der Zersetzung im Boden, trotz aller sonstigen Vorteile, energetisch nutzlos. Es werden keine fossilen Kohlenstoffträger, und deren Verbrennung ist das Hauptproblem bei der Kohlendioxydanreicherung der Atmosphäre, eingespart.

Wer Kohlendioxydemissionen nachhaltig verringern will, muss fossile Kohlenstoffträger dort lassen, wo sie sich zur Zeit befinden, nämlich tief in der Erde. Eine der Möglichkeiten, dies tun zu können, ist die energetische Nutzung von Müll. Die Verwendung von Müllkompost in der Landwirtschaft mag im Hinblick auf den Stoffkreislauf der Pflanzennährstoffe sinnvoll sein. Zur Reduzierung von Kohlendioxyd-Emissionen, wie die Enquete-Kommission das sieht, ist sie ungeeignet. Ich will nicht missverstanden werden: Dies soll kein Plädoyer gegen die Verwendung von Müllkompost sein. Wir wollten nur darlegen, dass diese Enquete-Kornmission nicht über den erforderlichen Sachverstand verfügt hat, um die ihr gestellten Fragen richtig zu beantworten. Dies wird auch noch an anderen Stellen deutlich:

Nur ein weiteres Beispiel sei genannt. Zur Reduzierung der Methanemissionen je Produkteinheit wird das Verbot der Leistungssteigerung durch Hormonzugabe vorgeschlagen. Es ist sicherlich ein vernünftiges Ziel, Methanemissionen reduzieren zu wollen. Und auch das Verbot zum Beispiel der Milchleistungssteigerung durch Hormonzugabe muss unbedingt erhalten bleiben. Nur, als Mittel zur Lösung des Methanproblems ist das Verbot der Hormonverwendung völlig ungeeignet. Je höher die Leistung von Milchkühen ist, um so geringer sind die Methanemissionen pro kg Milch.

Es ist schon erschreckend, auf wie dünner fachlicher Grundlage in Deutschland Umweltpolitik gemacht wird.