Nr. 1 vom 7. Januar 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In den letzten drei bis vier Jahren sind an der südwestlichen Küste Afrikas hunderttausende von Robben verendet. In Namibia spricht dabei niemand von einer Verursacherrolle der Landwirtschaft für dieses Robbensterben. Bei der über alle Maßen extensiven Landwirtschaft in diesem Land wäre das auch total absurd. Dort werden auf einer im Vergleich mit Deutschland doppelt so großen landwirtschaftlichen Nutzfläche Nahrungsmittel für nur gut eine Million Menschen erzeugt, und mehr kann dort wegen der geringen Niederschläge auch nicht erzeugt werden. In Namibia wird das Robbensterben einer Seuche angelastet, und darüber hinaus soll Nahrungsmangel eine wichtige Rolle spielen. Das ist bei mehr als einer Million Robben an dieser Küste auch durchaus verständlich, denn zwei Robben verzehren an einem Tag ebensoviel Fisch wie ein Mensch im ganzen Jahr.

Beim Seehundsterben in der Nordsee im Jahr 1988 lief die Diskussion bekanntlich anders. In der ersten Phase, im Sommer 1988, wurde von vielen die Landwirtschaft zu den Hauptverursachern gezählt. Gänzlich erledigt hat sich diese unhaltbare Version bis heute nicht. Auch heute noch kann man dieser Deutung begegnen, auch bei Leuten, die sich ansonsten in Umweltdingen gut auskennen.

Dabei ist es auch bei unseren Seehunden überhaupt nicht mehr strittig, dass sie einer Seuche zum Opfer gefallen sind. Streiten kann man sich allenfalls darüber, ob bestimmte Schadstoffgehalte in Seehundskörpern die Abwehrkräfte herabgesetzt haben. Angesichts der Tatsache, dass die Schadstoffgehalte in der Ostsee wesentlich höher sind als in der Nordsee und dass die Kegelrobben und Ringelrobben der Ostsee bisher von vergleichbaren Seuchengängen verschont geblieben sind, ist es zwar unwahrscheinlich, aber man kann es nicht ausschließen. Nur, die in der deutschen Landwirtschaft zugelassenen Pflanzenschutzmittel finden sich unter den in Frage stehenden Schadstoffen nicht; und um welche Schadstoffe aus der Landwirtschaft soll es sich sonst handeln?

Es bliebe also als einzige Möglichkeit für eine Verursacherrolle der Beitrag der Landwirtschaft zur Nährstoffanreicherung in der Nordsee, und dieser Beitrag wird auch heute tatsächlich noch im Zusammenhang mit dem Seehundsterben genannt.

Die aus der Landwirtschaft ins Meer getragenen Nährstoffe können Tiere in den im Meer vorkommenden Konzentrationen nicht unmittelbar schädigen, sie sind vielmehr ebenso natürliche Bestandteile des Tierkörpers. Eine mittelbare Schädigung durch die Eutrophierungswirkung muss ebenfalls ausgeschlossen werden. Es dürfte sogar eher umgekehrt sein, dass nämlich die Seehundpopulation durch eine Eutrophierungswirkung in der Nordsee eine verbesserte Nahrungsgrundlage erhält.

Vielleicht ist das der Grund, weshalb eine der beiden aus Namibia übermittelten Todesursachen bei uns nicht in Betracht kommt, wobei man die Beteiligung der Seehunde am Fischverzehr in der Nordsee allerdings auch nicht gering einschätzen darf. Die Seehunde in der Nordsee dürften etwa ebensoviel Fisch verzehren, wie die Bevölkerung von Hamburg.