Nr. 2 vom 14. Januar1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Unter den zahllosen Karikaturen, die die Schränke vieler Büros zieren, gibt es eine, mit der der Besucher zu einem bestimmten Verhalten aufgefordert wird. Die Karikatur empfiehlt ihm, vor Inbetriebnahme der Sprechwerkzeuge für eine kurze Zeit das Gehirn einzuschalten.

Diese Empfehlung muss bei sehr vielen Leuten unbekannt gewesen sein, die sich in letzter Zeit an der hysterischen Diskussion um die Abschaffung des Summengrenzwertes von 0,5 Mikrogramm pro Liter für Pflanzenschutzmittel durch die Europäische Kommission beteiligt haben. Dabei ist die Begründung dieser Abschaffung so einfach und so einleuchtend: es gibt keinen Bedarf für einen solchen Summengrenzwert, da der Fall für diesen Grenzwert in der Praxis nicht auftaucht. Es handelt sich hier um eine Regelung für den Fall, dass etliche verschiedene Pflanzenschutzmittel, die jeweils alle für sich genommen den Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter nicht überschreiten, zusammen mehr als 0,5 Mikrogramm bringen. Wenn bei einem dieser Mittel die 0,1 Mikrogramm überschritten sind, ist nämlich schon insoweit das Wasser als Trinkwasser nicht zugelassen.

Es wird jedermann einleuchten, dass für diesen Grenzwert mindestens 6 verschiedene Mittel nachgewiesen worden sein müssen. Und der Fall tritt in der Praxis nicht auf. Wer nur etwas Kenntnis von der Pflanzenschutzszene hatte, hat es auch nie für möglich gehalten, dass der Fall jemals auftreten würde.

Es hat hier also Aufregung wegen eines absoluten "Unproblems" gegeben. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Grenzwerte von 0,1 bzw. 0,5 Mikrogramm unglaublich streng sind. Verdeutlicht sei dies am Beispiel des Diuron, das vor einigen Tagen ein deutsches Nachrichtenmagazin zu aufgeregter Berichterstattung und Beteiligung an der Panikmache von Greenpeace veranlasste. Diuron sei in Deutschland an vielen Stellen im Rohwasser gefunden worden, und zwar in Konzentrationen von 0,1 Mikrogramm pro Liter und darüber.

Um Versuchstiere mit Diuron so zu vergiften, dass die Hälfte der Versuchstiere das Leben verliert, braucht man mehr als 5 Gramm Diuron pro Kilogramm Körpergewicht, umgerechnet auf den Menschen also ca. 0,3 Kilogramm. Es hat einmal einen Selbstmordversuch mit Diuron gegeben. Die Person meinte, sich mit 2 Gramm dieses Stoffes umbringen zu können. Die Ärzte stellten jedoch keinerlei Vergiftungserscheinungen fest, angesichts der Kenntnisse aus Tierversuchen kein überraschender Befund. Hätte diese Person dieselbe Menge Diuron mit "verseuchtem" Trinkwasser, also mit 0,1 Mikrogramm pro Liter zu sich genommen, hätte sie 20 000 m3 Wasser trinken müssen. Nehmen wir einmal an, dies sei physikalisch möglich gewesen, dann hätten wir es danach mit einer Wasserblase zu tun gehabt, mit der man ein tiefes Schwimmbecken von der Größe eines Fußballfeldes hätte füllen können. Von dem Diuron in dieser Wassermenge hätte die Person keinerlei Vergiftungserscheinungen gehabt ...