Nr. 5 vom 4. Februar 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Wenn irgendwo ein Schaden auftritt, oder gar eine Katastrophe, sind wir heute schnell damit bei der Hand, von einem Umweltereignis zu sprechen. Dabei ist in der Regel gemeint, dass hier ein von Menschen verursachter Schaden aufgetreten ist, den es in vergleichbarer Form früher nicht gab. Derartiges hörte man in den letzten Tagen und Wochen auch immer wieder über die Hochwasser-Katastrophen am Rhein und an dessen Nebenflüssen. Das Begradigen, Kanalisieren und Aufstauen sowie das Abschneiden von Auenlandschaften wurden als Gründe genannt und - fast wie unvermeidbar - die intensive Landwirtschaft. Nun ist es sicherlich aus schleswig-holsteinischer Sicht gewagt, sich ein Urteil über die Bildung von Naturkatastrophen am Rhein bilden zu wollen. Das soll hier auch nicht versucht werden. Und doch fiel eines auf: Die eingangs genannten Umweltgründe fehlten in kaum einem der vielen Berichte und Artikel. Ein eher verstecktes Dasein in der Presselandschaft fristeten dagegen die Erkenntnisse eines zufällig in Aachen gleichzeitig veranstalteten internationalen Wasserbau-Symposiums. Die Erkenntnisse dieses Symposiums von Wasserbaufachleuten fasste der Leiter des Instituts für Wasserwesen der Münchner Bundeswehr-Universität, so war es in einer großen Frankfurter Zeitung zu lesen, so zusammen: Einflüsse der vorgenannten Art seien zwar zu erkennen, sie spielten aber insgesamt nur eine geringe Rolle. Dass in Deutschland in den vergangenen Jahren die Schäden durch Hochwasser zugenommen hätten, erklärte er damit, dass immer mehr Sachwerte in Überschwemmungsgebiete gestellt würden. Auf dem Symposium hieß es auch, große Überschwemmungskatastrophen könnten nicht auf das Begradigen, Kanalisieren und Aufstauen und das Abschneiden von Auenlandschaften zurückgeführt werden. Zwar seien durch das Bereitstellen von Retentionsflächen die Auswirkungen geringfügig abzuschwächen. Die Vorstellung jedoch, dass durch Renaturierung von Flussläufen Extremhochwasser zu verhindern sei, sei abwegig. Wie gesagt, aus schleswig-holsteinischer Sicht ist uns eine abschließende Bewertung nicht möglich. Wir müssen sowohl die vielen einheitlichen Meldungen, die in den letzten Tagen und Wochen auf uns eingedrungen sind, als auch diese Einzelmeldung in einer Frankfurter Zeitung zunächst so stehen lassen. Die Frankfurter hatten jedoch noch eine Tatsache mehr zu melden, und die gibt nun wirklich Anlass zum Nachdenken: Zwar sei es richtig, dass in den vergangenen Jahren der Rhein öfter über die Ufer getreten sei als in früheren Vergleichszeiträumen; gleichzeitig sei die Zahl der Überschwemmungen an der Donau jedoch zurückgegangen. Hier ist also offensichtlich etwas passiert, was uns immer wieder zu einer einseitigen Meinungsbildung zwingt und was auch unvermeidbar sein dürfte: über das Ereignis wird naturgemäß berichtet. Dort, wo ein Ereignis nicht stattfindet, gibt es auch keinen Bericht. So haben wir in den letzten Wochen eben alle die Zustände an der Donau in unsere Meinungsbildung nicht mit einbezogen, sondern nur die Zustände am Rhein und seinen Nebenflüssen. Wenn daraus gar die Schlussfolgerung abgeleitet werden muss, dass eine objektive Meinungsbildung in solchen Fragen überhaupt nicht möglich ist, beunruhigt dies doch ungemein und gibt darüber hinaus Veranlassung, sich mit der einen oder anderen vorschnellen Bewertung zurückzuhalten. Das wird aber nicht geschehen, unzählige Kommunalpolitiker und andere Politiker werden in nächster Zeit am Rhein über viele Millionen DM beschließen, um vermeintliche Umweltsünden rückgängig zu machen. Wenn womöglich von den Erkenntnissen des Aachener Symposiums mehr zu halten ist als von der derzeit verbreiteten Meinung, werden sie dieses Geld buchstäblich in den Sand setzen.