Nr. 9 vom 4. März 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In der Umweitdiskussion werden häufig Schlagworte verwendet. Je geringer die Sachkenntnis der Diskussionsteilnehmer ist, um so größer ist die Neigung, Schlagworte zu verwenden. Eines dieser Schlagworte ist der Begriff von der "Nachhaltigkeit".

Man hört zunehmend die Forderung, die heutige Landwirtschaft müsse sich wieder mehr dem Prinzip der Nachhaltigkeit zuwenden. Der Teufel steckt stets im Detail und hier in den Worten "Nachhaltigkeit" und "wieder". Es entsteht der Eindruck, dass die heutige Landwirtschaft nicht nachhaltig wirtschaftet und dass dies früher anders und besser war. Was ist davon zu halten?

Schlagworte haben nicht nur die Eigenschaft, Unkundigen die Teilnahme an Diskussionen zu ermöglichen, ihnen begegnet man zunächst am besten auch mit einem Schlagwort. Das soll auch hier versucht werden mit der These: Nachhaltige Landwirtschaft ist das positive Gegenteil von Raubbau.

Wir wollen es aber nicht bei dem Gegenschlagwort belassen, sondern die Sache näher erläutern: Einen Raubbau im Sinne, dass die Nutzungskraft von Böden erschöpft wird und Landwirte nach einem Absinken der Erträge sich anderen Böden zuwenden, gibt es bei uns nicht. Im Gegenteil, bei uns sind die Erträge in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und die alte Pflanzenbauweisheit, dass eine neue Ernte immer noch die beste Vorfrucht für die nächste Ernte ist, gilt weiterhin.

Dies ist in weiten Teilen der Welt leider anders als bei uns und es war bei uns früher auch anders als heute. In früheren Zeiten wanderten die Pflanzennährstoffe von den dorffernen Teilen der Gemarkungen über Streugewinnung und Plaggenwirtschaft auf die dorfnahen Felder auf dem Umweg über den Stallmist. Am besten mit Nährstoffen versorgt waren die Hausgärten und danach die Ackerländereien beim Dorf. Die dorffernen Felder wurden immer weiter ausgebeutet und wurden so zu ökologisch wertvollen Magerstandorten. Wir haben vor uns das paradox erscheinende Bild, dass ökologisch wertvolle Flächen dadurch entstanden, dass nach landwirtschaftlich fachlichen Kategorien Raubbau betrieben wurde, also das Gegenteil von nachhaltiger Landwirtschaft. Diesen Raubbau gab es nicht nur auf Streuwiesen, im Moor oder auf Heideflächen. Auch der Wald wurde, neben einer Übernutzung des Holzaufwuchses, bis aufs letzte zur Gewinnung von Einstreu und damit von Pflanzennährstoffen für dorfnahe Felder ausgeräubert, bis am Ende des 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein praktisch kein Wald mehr vorhanden war.

Hier und heute passt das Wort vom Raubbau also kaum: Es bleibt die Frage, ob man nicht bei den modernen Produktionsmethoden von Raubbau in anderen Bereichen der Welt sprechen muss. Wenn heute aus der ganzen Welt Futtermittel importiert werden und in den Herkunftsländern die Nutzbarkeit der Böden nachlässt, ist ein Vergleich mit dem Raubbau früherer Jahrhunderte bei uns sicherlich nicht von der Hand zu weisen, nur die Entfernungen haben sich in ungeheurem Maße erhöht.

Die Pflanzenschutzmittel sind im übrigen keine Stoffe, an denen sich das Wort Raubbau festmachen lässt. Ihre Energiebilanz und ihre Stoffbilanz in der landwirtschaftlichen Verwendung sind so gut, dass das Wort Raubbau hier beim besten Willen nicht passt. Im Prinzip gilt dasselbe für die Verwendung von mineralischem Stickstoffdünger, dessen Verwendung in der Landwirtschaft eine Energiebilanz vom feinsten hat. Die Landwirte würden gerne Biomasse zur Herstellung von Stickstoffdünger verkaufen. Das funktioniert nur deshalb nicht, weil die konkurrierenden fossilen Energieträger zu ökologisch völlig unvertretbaren Raubhaupreisen gehandelt werden.