Nr. 10 vom 11. März 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Wir ersparen uns, den Begriff "Umweltbewusstsein" definieren zu müssen. Der eine meint damit, Risiken hinreichend ernst zu nehmen, der andere meint ein Höchstmaß an Sensibilität, der dritte meint vielleicht auch eine objektive Bewertung von Risiken. Wieder ein anderer versteht vielleicht unter "Umweltbewusstsein" die Fähigkeit zur Kritik an sich selbst und die Einstellung, dass nicht immer der andere der Umweltsünder ist; diese Variante übrigens scheint mir noch die seltenere zu sein.

Eines jedenfalls dürfte feststehen: Das Umweltbewusstsein, was immer das ist, ist in Deutschland am höchsten. Ein Brüsseler Kommissar hat einmal gesagt, es sei in Umweltdingen auf EU-Ebene so schwierig, wenn elf Länder eine Sache mit dem Kopf und das zwölfte Land die Sache mit dem Bauch beurteile. Es ist nicht schwer zu erraten, welches Land hier das zwölfte sein soll.

Für die Landwirtschaft hat dieses in Deutschland besonders hohe Bewusstsein Vorteile und Nachteile. Einerseits führt es immer wieder dazu, dass unseren Bauern Wettbewerbsnachteile gegenüber ihren Konkurrenten in anderen Ländern entstehen. Es führt aber auch dazu, dass wir guten Gewissens vor die Verbraucher treten und ihnen sagen können, dass im Zweifel das deutsche Produkt das qualitativ bessere ist. Denn die Dichte und Strenge der Qualitätsvorschriften und Kontrollvorschriften in Deutschland sind nun einmal, ebenso wie das Umweltbewusstsein, besonders ausgeprägt. Hierin liegen selbstverständlich Vermarktungschancen.

Aber zurück zum Umweltbewusstsein: Es gibt zunehmend Anzeichen dafür, dass Umweltbewusstsein in Deutschland auch irrationale Züge entwickelt. Am Beispiel des Messens mit zweierlei Maß bei Umweltfragen in der Landwirtschaft ist das an dieser Stelle wiederholt angeklungen. Heute sollen zur Veranschaulichung zwei Beispiele aus anderen Bereichen herangezogen werden:

- Die Zellstoffherstellung in Deutschland ist von ihrem Umfang her praktisch bedeutungslos. Die deutsche Zellstoffherstellung ist weltweit nicht konkurrenzfähig. So wird Holz in Unmengen nach Schweden und Finnland exportiert, dort mit hier bei uns verbotenen Methoden zu Zellstoff verarbeitet, und der Zellstoff landet dann wieder bei uns auf dem Markt.

- Ein ähnliches Beispiel begegnet uns bei der erfreulicherweise zunehmenden Diskussion um die energetische Verwertung von Biomasse. Und so hören wird dann auch, dass behandeltes Holz aus Deutschland in Schweden und Dänemark zu Strom verarbeitet wird mit Methoden, die bei uns nicht zugelassen sind und mit entsprechend günstigerer Kostensituation. Den dabei erzeugten Strom verwenden wir aber dann im Rahmen des Europäischen Stromverbunds eine durch nichts zu rechtfertigende Verschwendung von Transportenergie etc.

Wir müssen ein sehr reiches Land sein, dass wir uns dies alles leisten können ... .