Nr. 11 vom 18. März 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Über Stickstoff als Düngemittel, als Bestandteil der Atmosphäre, als Lebensbaustein etc. gibt es unzählige Diskussionen. Einerseits ist Stickstoff der wichtigste Bestandteil der wichtigsten Bausteine des Lebens und andererseits kann er umweltbelastende Wirkungen entfalten. So ist die Möglichkeit der Nitratbelastung von Grundwasser allgemein bekannt.

Es gibt aber auch eine Fülle von Missverständnissen um Umweltwirkungen des Stickstoffs. Ebenso oft erzählt wie unwahr ist dabei die Geschichte von den angeblich schlechten Energiebilanzen von mineralischem Stickstoff in der Düngung. Darüber wurde an dieser Stelle schon ausführlich Stellung bezogen.

Ein weiteres Missverständnis findet man in Kreisen des Umweltschutzes, wenn es um die Aushagerung von Flächen, die Schaffung von Magerstandorten aus Gründen des Artenschutzes geht. Angesichts der Stickstofffracht des Niederschlages, so hört man, sei eine Aushagerung von Flächen heute nicht mehr möglich. Beispiele aus der Praxis beweisen das Gegenteil. Woher kommt also das Missverständnis?

Eine für landwirtschaftliche Fachleute selbstverständliche Tatsache ist anderswo nicht hinreichend bekannt: Liebigs Gesetz vom Minimum.

Nach diesem Gesetz wird das Wachstum von Pflanzen immer durch den Nährstoff begrenzt, an dem es am stärksten fehlt. Dieses Gesetz ist häufig mit dem Bild eines Holzfasses verglichen worden, dessen Dauben nicht alle bis zum oberen Rand reichen. Ein solches Fass lässt sich nur soweit füllen, wie die unterste Daube reicht.

Bei diesem knappsten Stoff nach Liebigs Gesetz muss es sich nicht unbedingt um die Hauptnährstoffe Stickstoff, Phosphor und Kali handeln. Ein völlig anderes Beispiel kennen wir von Kieselalgenvermehrungen im Meer. Auch wenn dort alle anderen Nährstoffe noch in hinreichender Menge vorhanden sind, hört das Algenwachstum auf, wenn die Vorräte an Kieselsäure erschöpft sind und es beginnt erst wieder, wenn aus abgestorbenen Algen Kieselsäure freigesetzt wird.

Für Aushagerungsflächen heißt das, dass eine starke Verringerung der Phosphormengen oder der Kalimengen im Boden auch dann die "Hungerkünstler" begünstigt, wenn Stickstoff noch reichlich vorhanden ist oder durch den Regen auch nachgeliefert wird. Dabei gibt es zwar gewisse Unterschiede zwischen Pflanzenarten, die den Mangel bestimmter Nährstoffe besser vertragen als andere, aber im Grundsatz gilt auch für Aushagerungsvorhaben aus Naturschutzgründen Liebigs Gesetz vom Minimum. Dabei kann eine gewisse Stickstoffzufuhr, was landwirtschaftliche Praktiker schon seit langem wissen, die Aushagerung fördern, wenn der Pflanzenaufwuchs kontinuierlich abgeschöpft wird und damit Phosphor, Kali oder auch andere Stoffe verstärkt verknappt werden. In der landwirtschaftlichen Praxis hat es schon mehr als einmal Ärger zwischen Pächtern von Flächen und deren Nachfolgern als Pächter gegeben, wenn der Vorpächter in der letzten Zeit einseitig auf Stickstoff gesetzt hatte und der Nachpächter ein entsprechend karges Pflanzenwachstum vorfand. Warum soll das auf Naturschutzflächen anders sein?