Nr. 19 vom 13. Mai 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Erinnern wir uns zurück an die Zeit vor 25 Jahren, als Sicco Mansholt seine Thesen gegen den bäuerlichen Familienbetrieb verbreitete und dafür in der Ostseehalle ausgepfiffen wurde. Der Hintergrund war auch schon damals ein deutlicher Einkommensabstand der Landwirtschaft gegenüber vergleichbaren Einkommensgruppen.

Mansholts Lösung war, die Hinwendung zur Industrialisierung und Rationalisierung der Landwirtschaft zu propagieren. Und dies entsprach damals durchaus der allgemeinen öffentlichen Meinung. Es hieß, die Landwirte hätten keinen Grund, über schlechte Einkommen zu klagen, wenn sie nur - ebenso wie Industrie und Gewerbe - sich modernerer Methoden bedienen würden.

In den ersten fünf Jahren nach dem berühmten 13. Dezember 1969 in der Ostseehalle wurden in Schleswig-Holstein mehr als 10 000 landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben. Damals ging die Angst vor Mansholts Thesen um, und Perspektivlosigkeit hatte sich breit gemacht.

Auch wenn der Familienbetrieb seine Stärke auch nach Mansholts Auftritten immer wieder unter Beweis gestellt hat, ist im übrigen doch viel von den Thesen des damaligen Agrarkommissars Wirklichkeit geworden. Nur eines ist unbegreiflich. Ebenso wie die öffentliche Meinung damals die Landbewirtschaftung vor Mansholt kritisierte, kritisiert sie heute den Zustand nach Mansholt; die öffentliche Meinung hat sich um 180 Grad gedreht, geblieben ist nur die Unnachgiebigkeit dieser Menschen, die uns kritisieren und selbst vergessen haben, dass sie vor 20 Jahren genau der gegenteiligen Meinung waren.

Der Landwirtschaft hat man bei uns im Lande eine Sündenbockrolle verpasst. Wer seine eigenen Probleme, und die Menschen vor allem in den Ballungsgebieten haben wirklich große Umweltprobleme, nicht bewältigen kann oder nicht bewältigen will oder vor ihnen weglaufen möchte, bedient sich eines Sündenbocks. Es ist nur zu hoffen, dass dieser hässliche Zustand bald überwunden wird. Wenn die Menschen in Deutschland es nicht lernen, die Landwirtschaft mit vernünftigen Maßstäben zu messen, werden sie wieder, wie damals, unter völlig umgekehrten Vorzeichen, Perspektivlosigkeit erzeugen. Die Agrarreform der EU und die ständig steigende Bürokratisierung in der Landwirtschaft haben das Ihre bereits getan; weitere Belastungsfaktoren verträgt zumindest die junge Generation in der Landwirtschaft nicht mehr. Schon heute sind die geringen Zahlen der Auszubildenden erschreckend genug. Wenn sich nicht bald wieder mehr junge Menschen für den Beruf des Landwirts entscheiden, wird allein wegen fehlenden Nachwuchses der Strukturwandel noch dramatischer verlaufen als bisher. Für eine Mischung aus Umwelt-Sündenbock und Antragswirt sind junge Menschen sich bei ihrer Berufsentscheidung zu schade.