Nr. 24 vom 17. Juni 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Im August letzten Jahres war an dieser Stelle die Rede von der besonderen Haltung Großbritanniens und Norwegens in Fragen des Nordseeschutzes. Dort ist man u. a. der Meinung, dass die Nordsee überhaupt nicht eutrophiert ist, da die Nährstoffgehalte dort geringer sind als im Nordatlantik und große Teile der Nährstoffzufuhr nicht von den Küsten stammen, sondern durch die "natürlichen" Gehalte des großen Nachbarmeeres verursacht sind. Wir haben damals auch darauf hingewiesen, dass dieser Umstand nichts daran ändert, dass die Nährstoffgehalte in der Nordsee steigend sind, und dass außerdem die Schadstoffe das weit größere Problem darstellen, die Sorgen um den Zustand der Nordsee also nicht aus der Luft gegriffen sind.

Auch in Esbjerg kam die besondere Einstellung der Briten und Norweger wieder zum Ausdruck, wobei die lässige Haltung bei den Briten allerdings stärker ausgeprägt war als bei den Skandinaviern, die bei der Frage der Versenkung der Off-Shore-Anlagen und auch sonst immerhin die angenehmeren Verhandlungspartner waren. Großbritannien blieb in wichtigen Fragen hart und darf z. B. weiterhin und noch bis 1998 die Nordsee mit Klärschlämmen belasten. Bedenkt man, wie sensibel die Menschen bei uns gegenüber dem Klärschlamm sind, ist dieses Ergebnis von Esbjerg eigentlich unglaublich.

Auffällig ist in der Berichterstattung über Esbjerg, dass die großen Themenschwerpunkte sich verlagert haben. Die Überfischung, der britische Klärschlamm und die Probleme der Ölplattformen stehen im Vordergrund. Für die Landwirtschaft ist es wiederum ein Ärgernis, dass bei der Nährstoffproblematik, die in Esbjerg diesmal eine eher geringe Rolle gespielt hat, mit dem Begriff "Belastung durch Düngemittel" für alle Nährstoffe der Eindruck erweckt wird, sie stammten aus der Landwirtschaft. Ebenso ist es für die Bauern ärgerlich, wenn Stickstoff und Phosphate in Zeitungstabellen mit der Überschrift "Einleitungen von Schadstoffen in die Nordsee" auftauchen. Stickstoff und Phosphat sind keine Schadstoffe, in normalen Mengen werden sie sogar benötigt, während jedes Kilogramm Zink, Quecksilber oder Kadmium zuviel ist.

Andererseits haben die Landwirte längst gelernt, dass sie ihren Beitrag zur Nordseesanierung zu leisten haben. Für die meisten unserer schleswig-holsteinischen Bauern ist dies eine Selbstverständlichkeit, und Esbjerg ist für die Landwirtschaft gleichzeitig Anlass, Bilanz zu ziehen über die Erfolge bei der Reduzierung des Einsatzes von Düngemitteln und - obgleich dies für den Nordseeschutz unbedeutend, ansonsten aber ökonomisch und ökologisch wichtig ist - bei der Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Für die gesamte deutsche Landwirtschaft hat Präsident Heereman sich hierzu so geäußert:

"Der Einsatz von mineralischen Düngemitteln ist seit 1988 um 33 Prozent zurückgegangen und liegt heute unter 100 kg pro Hektar. Die mineralische Phosphatdüngung ist um 55 Prozent, die mineralische Kalidüngung um 50 Prozent eingeschränkt worden. Der Verbrauch der Nährstoffe Phosphat und Kali liegt damit heute auf dem Niveau der 30er Jahre. Ihre Aufwendungen an Pflanzenschutzmitteln hat die Landwirtschaft in Deutschland von 1990 bis 1993 praktisch halbiert."

In Schleswig-Holstein sank seit 1988 der geldliche Aufwand für Mineraldünger ebenfalls um rund ein Drittel und für Pflanzenschutz auf gut die Hälfte. Die Reduzierung geht zum Teil selbstverständlich auf die Flächenstilllegung zurück, überwiegend aber auf die konsequente Umsetzung einer auf Reduzierung ausgerichteten Beratung und den Willen der Bauern an der Lösung der allgemeinen ökologischen Probleme mitzuwirken und im eigenen Betrieb Kosten zu senken.

Richtig bewerten kann man diese Erfolge übrigens nur dann, wenn man zwei weitere Aspekte in die Überlegungen mit einbezieht:

- Durch den Rückgang der Rinderbestände und mehr noch der Schweinebestände verbunden mit einem deutlichen Rückgang der Verwendung von zugekauften Futtermitteln ist durch den verringerten Anfall tierischer Fäkalien zusätzlich der Eintrag von Nährstoffen auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen vermindert worden.

- Mit dem stark verminderten Einsatz von Düngung und Pflanzenschutz ging eine deutliche Steigerung der Erträge auf den nicht stillgelegten Flächen einher. So lagen die Hektarerträge bei Getreide in den letzten sechs Jahren um 13 Prozent höher als in den sechs Jahren davor.

Die Verwirklichung des Grundsatzes der bedarfsgerechten Düngung ist der schleswig-holsteinischen Bauern also wirklich ein großes Stück näher gekommen, was nicht heißen soll, dass es nicht noch besser geht. Um die bisherigen Erfolge zusätzlich besser einordnen zu können, sei noch der Hinweis gegeben, dass vor der Wiedervereinigung in den jetzigen neuen Bundesländern die Aufwendungen an Düngemitteln höher und die Erträge deutlich niedriger lagen. Übrigens: Auch in den neuen Bundesländern hat es in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte in beiden Richtungen gegeben.