Nr. 28 vom 15. Juli 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Der Deutsche Bauernverband hat bekanntlich eine eher zurückhaltende Einstellung zur Gen-Technologie. Er teilt zwar die Sorge vieler, dass wir in Deutschland international womöglich abgehängt werden können, andererseits sieht er aber auch klar die Vermarktungsrisiken, die sich aus dem Einsatz von Gen-Technologie ergeben können. Wenn ein Produkt nicht mehr gekauft wird, lohnt es sich nicht, dieses Produkt zu produzieren, auch wenn es noch so gut ist.

Schwer zu verstehen ist es allerdings, weshalb in Deutschland das Image der Gen-Technologie so besonders schlecht ist. In anderen Ländern der Erde, wie zum Beispiel besonders in Kanada und den USA, aber auch China, gilt die Gen-Technologie als besonders fortschrittlich und ist mit einem positiven Image belegt.

Was geschieht nun bei der Gen-Technologie? Nehmen wir die Verpflanzung eines erwünschten Gens von einer Pflanzenart auf die andere als Beispiel. Bei uns in Deutschland bringen viele Menschen diesem Verpflegungsvorgang Gefühle entgegen, wie sie sie auch gegenüber Monstern und ähnlichen schlimmen Wesen zu hegen pflegen. Nun geschieht allerdings bei diesem Vorgang nichts, was nicht im Ergebnis auch in der Natur hätte auftreten können. Das Image des angeblich unnatürlichen ist falsch. Machen wir hierzu einen kleinen phylogenetischen Exkurs:

Zwei Arten werden deshalb als getrennte Arten bezeichnet, weil die Individuen über die Artgrenze hinweg keine fruchtbaren Nachkommen haben können. Arten entstehen dadurch, dass ihr genetischer Abstand zueinander eine bestimmte Entfernung angenommen hat. Ebenso wie Mensch und Schimpanse vor einer Reihe von Millionen von Jahren zu derselben Art gehörten, gilt dies auch für jede beliebige Pflanzenart im Verhältnis zu jeder anderen Pflanzenart. Unterschiedlich sind nur die Zeitabstände, die zum gemeinsamen Ursprung führen. Alle Pflanzenarten sind letztlich miteinander verwandt.

Wird nun ein Gen vom Ölrettich auf den Raps übertragen, geschieht das deshalb, weil das betreffende Gen beim Rapsanbau sehr erwünscht ist und in der Pflanzenart Raps nicht vorkommt. Käme es vor, könnte man es durch herkömmliche Zuchtmethoden nutzen. Warum nun kommt dieses Gen beim Ölrettich vor und beim Raps nicht? Zur Beantwortung dieser Frage gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

- Die erste Möglichkeit besteht darin, dass dieses Gen schon vorhanden war, als Ölrettich und Raps noch zu derselben Art gehörten und der Raps das Gen irgendwann verloren hat.

Die andere Möglichkeit besteht darin, dass das Gen damals noch nicht bestand, dass die Mutation, die zu diesem Gen führte, sich nach der Arttrennung zwischen Ölrettich und Raps zugetragen tat.

Im ersteren Fall würde man dem Raps ein Gen zurückgeben, das er irgendwann verloren hat. Die Bezeichnung "unnatürlich" passt für einen solchen Vorgang selbstverständlich nicht. Der andere Fall, in dem der Ölrettich das neue Gen später durch Mutation erhalten hat, hätte sich in der Natur beim Raps ebenso zutragen können, so dass auch hier jeder Vergleich mit einer in der Natur möglichen Entwicklung erlaubt ist.