Nr. 51 /52 vom 23. Dezember 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In letzter Zeit hat es erneut einige ausgesprochen dubiose Verstöße gegen die Landwirtschaft gegeben. Dabei ging es meist um das Thema Trinkwasser bei dem den Bauern gern die Rolle als Umweltverschmutzer Nummer 1 zugeschrieben wird. Wenn es wirklich so wäre, muss man sich wundern, weshalb immer noch gerade im ländlichen Raum so viel Trinkwasser gefördert wird und nicht etwa in den Ballungsgebieten, in denen, glaubt man der veröffentlichten Meinung, eben nicht die Umweltverschmutzer Nummer 1 zu finden sind. Wir wissen selbstverständlich, dass es in den Ballungsgebieten kaum noch brauchbares Trinkwasser gibt. Die Gründe hierfür sind unter Fachleuten auch durchaus bekannt: Die Grundwasserneubildung ist nun einmal unter landwirtschaftlichen Kulturen am höchsten und die Qualität des Grundwassers ebenfalls. Nicht zuletzt dürfte dies daran liegen, dass von den 600 000 km Abwasserkanälen in Deutschland die Hälfte nach unten offen sein soll.

Wenn die Öffentlichkeit die Landwirte als Umweltverschmutzer Nummer 1 darstellt, geschieht dies durchaus auf scheinheilige Weise. Den Bauern wird nämlich auf der einen Seite bescheinigt, sie könnten ja eigentlich nichts dafür und seien politisch in diese Rolle hineingetrieben, auf der anderen Seite seien ihre Beiträge zur Umwelt nun einmal so schlimm.

Als Heilmittel wird dann häufig eine verstärkte Beratung der Bauern im Hinblick auf weniger Düngemittel und Pflanzenschutz dabeigelegt. Sicherlich, Beratung ist gut, aber man darf wirklich nicht so tun, als wenn die Landwirtschaft erst jetzt anfängt, die Probleme zu lösen.

Sie hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte in der Reduzierung der Düngemittelaufwendungen und der Pflanzenschutzmittelaufwendungen erreicht, und dies nicht bei sinkenden, sondern bei steigenden Erträgen. Es sind zwar nach der letzten Ernte nicht alle zufrieden, die meisten aber haben doch im Vergleich mit früheren Jahren recht gut gedroschen. Das Hauptproblem sind die Preise und nicht das Verhältnis von Ertrag und Aufwand. Beim Verhältnis von Ertrag und Aufwand gibt es, im Gegenteil, phänomenale Fortschritte. Soweit reibt man sich denn manchmal die Augen, wenn die alten Säue immer noch mal wieder durchs Dorf getrieben werden, sprich, die alten Umweltgeschichten erzählt werden, als wenn sich zwischendurch nichts Positives zugetragen hat.

Es ist insbesondere nach wie vor in der Öffentlichkeit nicht übergekommen, dass wir die Diskussion um Pflanzenschutzmittel im Trinkwasser nur deswegen führen, weil es einen unvorstellbar strengen Grenzwert gibt, der mit wirklichen Gefährdungspotentialen nicht das geringste zu tun hat. Auch wenn den Kritikern dieser Zeilen die hier gelegentlich verwendeten Vergleiche auch unangenehm sein mögen, es muss wieder sein:

Der Trinkwassergrenzwert für Pflanzenschutzmittel liegt bei 0,1 m g pro kg und der Grenzwert für Pflanzenschutzmittel bei diätetischen Lebensmitteln für Säuglinge bei 10 m g je kg. Nun darf man daraus nicht folgern, dass der Grenzwert für Säuglingsnahrung womöglich leichtsinnig festgelegt worden ist. Im Hinblick auf toxikologische Potentiale ist er im Gegenteil ebenfalls recht streng.

Aber was folgt nun aus diesen beiden Weiten? Nehmen wir 1 kg Babynahrung mit einem Gehalt von 1 m Pflanzenschutzmittel und 1 l Wasser mit einem Gehalt von 0,11 m . Beide sind für die vorgesehene Verwendung nicht mehr zugelassen. Die Babynahrung darf nicht mehr von Babys gegessen werden, und das Trinkwasser darf nicht mehr getrunken werden, weder von Kindern noch von Erwachsenen.

Treiben wir nun einmal das Gedankenspiel, dass wir die beiden Substanzen miteinander vermischen. Das so entstandene neue Substrat hat dann 5,055 m Pflanzenschutzmittel pro kg. Nach der Diätverordnung für Säuglinge ist es nicht im geringsten zu beanstanden, weil es den Grenzwert nur zu gut der Hälfte ausschöpft. So können wir denn froh sein, dass das neue Substrat sicherlich von niemandem als Trinkwasser angesehen wird, denn als Trinkwasser dürfte es nicht getrunken werden, weil es den geltenden Grenzwert für Trinkwasser um 5000 Prozent überschreitet.