Nr. 15 vom 13. April 1996

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Die Landwirtschaft, die häufig als Energieverschwender hingestellt wird, ist nicht Energieverschwender, ist per Saldo nicht einmal Energieverbraucher, sondern in großem Stil Energieerzeuger. Der Brennwert der deutschen Ernte liegt in der Größenordnung von gut 3000 Petajoule. In einer kritischen Auseinandersetzung mit der Forderung auf "energieoptimierte Produktion" haben wir uns auch an dieser Stelle damit bereits auseinandergesetzt. Gut 3000 Petajoule Ertrag stehen einem Energieaufwand von ca. 350 Petajoule gegenüber, der Überschuss ist also enorm und würde in den Statistiken über Energieverbräuche in Deutschland über 20 Prozent der dort ausgewiesenen Zahlen ausmachen.

In Schleswig-Holstein, wo der Energieverbrauch geringer ist als anderswo und andererseits die Landwirtschaft eine größere Rolle spielt, wären es gar mehr als 30 Prozent. Wenn die schleswig-holsteinische Landesregierung als Ziel äußert, dereinst 15 Prozent der Energieversorgung mit der energetischen Nutzung von Biomasse zu erledigen, ist das so weltfremd also nicht. Bisher jedoch, und dies dürfte ein Kuriosum sein, werden die landwirtschaftlichen Energieerträge in den Statistiken überhaupt noch nicht geführt. Dies mag man damit begründen können, dass der allergrößte Teil der landwirtschaftlichen Energieerzeugung in unserem Überflussland energetisch überhaupt nicht genutzt wird. Aber auch der Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung, der ohne jeden Zweifel energetisch genutzt wird, taucht in den Energiestatistiken nicht auf, gemeint ist hier die Energie, die wir Menschen mit den Funktionen unseres Körpers verbrauchen. Nein, die Energie der menschlichen Nahrung wird in Statistiken nicht geführt. Als Energieträger ist die menschliche Nahrung also nicht im Bewusstsein der Statistiker.

Das liegt nicht etwa daran, dass die Mengen zu gering sind, denn die Wasserkraft als Energieträger wird auch aufgeführt, obgleich sie jährlich nur 114 Petajoule bringt. Allein der verdauliche Anteil der menschlichen Nahrung beträgt das Dreifache davon.

Geht man von einem durchschnittlichen Energieverbrauch von 2600 Kilokalorien aus, entspricht das einer Energiemenge von 10,4 Megajoule pro Tag oder 3,8 Gigajoule pro Jahr. Bezogen auf die gesamte deutsche Bevölkerung addieren sich 3,8 Gigajoule pro Einwohner bei 80 Mio. Menschen zu einer Energiemenge von 304 Petajoule. Wohlgemerkt, hier ist nur die Energiemenge gemeint, die die Menschen tatsächlich energetisch nutzen. Die unverdaulichen Teile der Nahrung, die sich zum Beispiel durch die Gasgewinnung in Kläranlagen energetisch nutzen lassen oder die nicht verzehrten Teile, die sich durch Gasgewinnung aus Biomüll oder auch durch Verbrennung nutzen ließen, sind darin noch nicht enthalten. Ganz zu schweigen von den großen Energiepotentialen, die theoretisch in der Verbrennung von Stroh, der Ausgasung von Gülle oder anderer Möglichkeiten stecken.

Die Hoffnungen der Landwirtschaft auf eine Ausdehnung der energetischen Nutzung von Biomasse werden sich sicherlich einmal erfüllen, weil sie sich aus ökologischen Gründen erfüllen müssen. Eine der ersten Voraussetzungen wäre es allerdings, zunächst einmal Eingang in die Statistiken zu finden, also nach dem Motto: Wer nicht gezählt wird, ist auch nicht vorhanden.