Nr. 19 vom 11. Mai 1996

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

"Umweltschutz nur als profilneurotischer Vorwand, andere Mitbürger zu kommandieren und zu schurigeln!" Dies ist ein hartes Wort, mit dem kürzlich selbsternannte Naturschützer auf einer Insel in der Ross-See, einem Randmeer der Antarktis, charakterisiert wurden. Das Wort stammte nicht etwa von einem Industrievertreter oder von einem Sprecher einer Walfangorganisation bzw. den japanischen Krill-Garnelenfängern. Das Wort stammt von keinem geringeren als dem bekannten Verhaltensforscher und Tierbuchautor Vitus B. Dröscher.

Auf Franklin-Island war es ihm passiert: "Machen Sie, dass Sie fortkommen! Sehen Sie nicht, dass die Pinguine ins Wasser laufen wollen?" So waren Dröscher und weitere Teilnehmer einer kleinen Reisegruppe angeherrscht worden. Die meisten aus der Gruppe hätten, so berichtet Dröscher, den Tieren ehrfurchtsvoll den Weg freigemacht.

Dröscher wusste es besser. Es handelte sich in dem Fall um Jungtiere im flauschigen Kinder-Federpelz. Damit können sie gar nicht baden. Es hätte für sie den sicheren Tod durch Unterkühlung bedeutet. Tatsächlich waren die Pinguine dann auch stehen geblieben, hatten sich verwundert umgeschaut und waren schließlich ebenso neugierig wie vertrauensvoll auf die vor ihnen zurückweichende Touristengruppe zugewatschelt. Wieder hatte ein selbsternannter Naturschützer geschrien: "Weg dort, den Tieren aus dem Weg!" Die Ereignisse hatten sich so fortgesetzt und Dröscher gehörig auf die Palme gebracht.

Bei uns gibt es so etwas nicht, meinen Sie? Vielleicht sind die Menschen bei uns nicht ganz so aggressiv wie am Rande der Antarktis, aber in der Tendenz gibt es solche Geschichten bei uns genauso! So haben sich in letzter Zeit nicht nur einmal selbsternannte Naturschützer darüber aufgeregt, wenn Rinder, die im Winterhalbjahr freien Auslauf hatten, auf der Weide gesehen wurden. Und auch die Fälle, in denen selbsternannte Naturschützer sich darüber aufregten, dass Knicks auf den Stock gesetzt wurden, sind keine Einzelfälle. Auch unsere unqualifizierten Kritiker treten oft mit einer unverständlichen Härte auf.

Netter war da schon eine Begebenheit, die sich vor einigen Jahren auf den Wiesen zwischen dem Storchendorf Bergenhusen und dem Nachbardorf Meggerdorf zutrug. Ein Landwirt war mit seinem Trecker nebst zugehörigem Mähgerät hinausgefahren, um Gras für die Silageernte zu mähen. Wie immer bei diesem für die hungrigen Weißstörche so ergiebigen Arbeitsvorgang stolzierten die langbeinigen Vögel um ihn herum bzw. folgten seiner Arbeitsspur, um sich den einen oder anderen Leckerbissen zu schnappen.

Plötzlich verschwanden die Störche, und es erschienen Urlauber auf der Wiese. Sie wollten gerne Störche fotografieren und meinten, der Landwirt habe mit seinem lauten Arbeitsgerät die Vögel beunruhigt. Diese Urlauber ließen sich allerdings belehren. Der Landwirt machten den angerückten Gästen einen Vorschlag: "Für heute ist hier nichts mehr zu machen, weil Ihr Anblick für die Störche ungewohnt ist. Und wenn Sie morgen wieder so wie heute hier auftauchen, werden Sie das gleiche erleben, die Störche werden wegfliegen. Kommen Sie also morgen früh zu mir auf den Hof, lassen Sie Ihren Pkw auf dem Hof stehen und fahren Sie mit mir auf dem Trecker hinaus." So geschah es dann, und die begeisterten Naturfreunde kamen ihren Lieblingen so nahe, wie sie es sich nicht einmal erträumt hatten.