Nr. 32 vom 10. August 1996

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In diesen Wochen und Monaten sind die Rückgänge beim Fleischverzehr in erster Linie eine Folge der BSE-Diskussion. Die allgemeine Kampagne gegen den Fleischverzehr läuft allerdings schon länger, und sie dürfte sich auch gegenwärtig neben der BSE-Diskussion in der Fleischverbrauchsstatistik auswirken, wobei man die beiden Einflüsse nicht voneinander trennen kann.

Ein jüngstes Beispiel dieser Kampagne findet sich in einer medizinisch-pharmazeutischen Fachzeitschrift unter der Überschrift "Gesund ohne Fleisch". Unter dieser Überschrift werden dort Ernährungstipps gegeben.

Eingeleitet wird der Beitrag in der Zeitschrift mit folgenden Worten: "Wer auf Fleisch verzichten möchte, kann dies im allgemeinen ohne Gefahr einer Nährstoffunterversorgung tun." Was heißt hier "im allgemeinen"? Im Aufsatz lesen wir weiter: "Ausnahmen sind vor allem Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche, denn deren hoher Nährstoffbedarf ist ohne Fleisch nur sehr schwer zu decken."

Die Aufzählung scheint nicht vollständig zu sein, wie durch die Worte "vor allem" deutlich wird. Es scheint also noch weitere Bevölkerungsgruppen zu geben, für die auch nach Meinung der Autoren des Aufsatzes der Verzicht auf Fleischverzehr ein gesundheitliches Risiko bedeutet. Vor diesem Hintergrund sind die Worte im allgemeinen" im ersten Satz des Aufsatzes doch recht erstaunlich, denn die Risikogruppen scheinen durchaus keine kleinen Minderheiten zu sein; es scheint sich vielmehr um große Teile der Bevölkerung zu handeln.

Aufschlussreich ist dann noch, was diejenigen, die nicht zu den genannten Risikogruppen gehören, alles beachten müssen. Es geht dabei um besonders günstige Kombinationen bestimmter anderer Eiweißträger, es werden besonders hohe Anforderungen an die verzehrten Mengen von Milch- und Milchprodukten gestellt und schließlich wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass zu den Getreideprodukten und Hülsenfrüchten immer genügend Obst und Gemüse verzehrt werden sollte. Das darin enthaltene Vitamin C, so heißt es in dem Aufsatz, verbessere die Ausnutzung von Eisen.

Im Klartext also geht es darum, dass auch diejenigen, die nicht ausdrücklich als Mitglieder der Risikogruppen genannt werden, nur unter Beachtung ganz bestimmter Verhaltensregeln auf den Fleischverzehr verzichten können. Vor diesem Hintergrund macht die Überschrift "Gesund ohne Fleisch" wirklich nachdenklich. Besser hätte es geheißen "Gesundheitsgefahren ohne Fleisch".

Wir alle wissen, dass in Deutschland niemand in seiner Gesundheit durch Pflanzenschutzmittel in der Nahrung gefährdet ist. Nehmen wir einmal an, dies wäre anders, und im Zusammenhang mit irgendeiner Agrochemikalie gäbe es doch nennenswerte gesundheitliche Risiken.

Stellen Sie sich dann vor, in einer medizinisch-pharmazeutischen Fachzeitschrift würde darüber so referiert, wie hier unter der Überschrift "Gesund ohne Fleisch". Es hieße dann "Gesund mit Agrochemikalie X", die Risikogruppen würden nur unvollständig benannt und die Anpassungsstrategien würden so vorgestellt, wie hier geschehen.

Nein, Sie brauchen sich dies nicht vorzustellen, weil es so etwas nicht gäbe. Es würden nicht solche Aufsätze erscheinen, sondern es gäbe einen wochenlangen Presserummel, unter anderem einen Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag, eine strenge Bestrafung der "Täter" und eine öffentliche Achtung all derer, die sich des Delikts der "Verharmlosung" schuldig machen.