Nr. 35 vom 31. August 1996

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In Schleswig-Holstein gibt es auf höchster Entscheidungsebene Menschen, denen zum Thema Landwirtschaft und Umwelt nur eines einfällt, die flächendeckende Umstellung auf den ökologischen Landbau. Der Bundestagsabgeordnete Helmut Lamp hat es in seiner jüngst herausgegebenen Schrift klargestellt: Der ökologische Landbau ist zwar geeignet für bestimmte betriebswirtschaftliche und Vermarktungssituationen, und er ist auch geeignet, bestimmte ökologische Fragen zu beantworten; eine flächendeckende Umstellung auf den ökologischen Landbau ist aber weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll.

Die hier angesprochenen Entscheidungsträger machen es sich nicht nur bei der Thematik Landwirtschaft und Umwelt sehr leicht. Eine gleiche undifferenzierte Betrachtungsweise erleben wir auch auf anderen Sektoren. Sie zeugt letztlich von mangelnder Kompetenz oder von ideologischer Festlegung, im Zweifel von einem Gemisch von beiden.

Ein ebenso eindruckvolles Beispiel wie die in bestimmten Kreisen, verbreitete Heilslehre zur Landwirtschaft ist auch die Preisung der Kraft-Wärme-Kopplung als Allheilmittel. Dr. Gerd Keussen aus Preetz hat hierzu in den letzten Tagen sehr klare Aussagen gemacht. Worum geht es bei diesem ebenfalls ideologisierten Thema?

In der Vereinbarung der rot-grünen Regierungskoalition für Schleswig-Holstein steht: "Die Landesregierung wird den Neubau von Kraftwerken nur noch in optimaler Kraft-Wärme-Kopplung genehmigen."

Kraft-Wärme-Kopplung ist keinesfalls generell Unsinn, sie macht aber auch nicht immer Sinn. Es handelt sich hier um die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme in einer technischen Anlage. Ein energetischer und ökologischer Vorteil von Kraft-Wärme-Kopplung besteht deshalb nur, solange Strom und Wärme gleichzeitig benötigt werden. Wo dies nicht der Fall ist, sind getrennte und damit spezialisierte Anlagen zur reinen Stromerzeugung und zur reinen Wärmeerzeugung vorteilhafter.

Offensichtlich ist auch den Autoren des Koalitionspapiers dieses Problem vertraut. Denn, wenn sie selbst von der generellen Vorteilhaftigkeit der Kraft-Wärme-Kopplung überzeugt wären, brauchten sie keinen politischen Zwang zur Durchsetzung dieses Systems anzuwenden. Der hier vereinbarte politische Zwang ist gefährlich. Die Elektrizitätserzeugung wird dadurch weniger rentabel und wird dorthin gehen, wo sie den schleswig-holsteinischen Sonderrestriktionen nicht unterworfen ist. Sie wird den Strom dann von dort aus unter dem Schutz europäischen Rechts nach Schleswig-Holstein liefern, woran sie keine schleswig-holsteinische Landesregierung hindern könnte. Im Ergebnis würde aus dem bisherigen Stromexportland Schleswig-Holstein ein Stromimportland werden mit allen schmerzlichen Folgen für den Wohlstand und den Arbeitsmarkt bei uns. Es ist nun einmal so, dass es in der Praxis mehr Fälle gibt, in denen Strom- und Wärmebedarf nicht parallel verlaufen, als umgekehrt. So steigt im Winter der Wärmebedarf gegenüber dem Sommer weit stärker an als der Strombedarf; und im Sommer wird in vielen Bereichen - etwa in Wohnungen oder Büros - zwar weiterhin eine Menge Strom, aber kaum Wärme benötigt. Kraft-Wärme-Kopplung bietet sich dort an, wo auch im Sommer ein nicht unerheblicher Wärmebedarf vorhanden ist, etwa in Hallenbädern, Krankenhäusern oder in gewissen Produktionsstätten. Dort gehört die Kraft-Wärme-Kopplung hin; aber sie gehört eben nicht überall hin. Die Parallelen zur gebetsmühlenartigen ständigen Wiederholung der Forderung auf flächenhafte Umstellung auf den ökologischen Landbau sind unverkennbar. In beiden Fällen geht es um das eigenartige Phänomen, dass Entscheidungen getroffen werden, deren Grundlagen vor einer sachlichen Überprüfung für klar gehalten werden.