Nr. 38 vom 21. September 1996

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Karl Eigen hat einmal gesagt, die Amerikaner würden einem die Wurst vom Brot nehmen, wenn man aus dem Flugzeug steigt. Nein, es ist noch schlimmer; sie nehmen nicht nur die Wurst, sondern auch das Brot und die Butter. Und selbst eine Apfelsine schien den amerikanischen Staat in seiner Existenz zu bedrohen, wie Reisende jüngst auf dem Flughafen von Los Angeles erleben konnten.

Mit Spürhunden wird sämtliches Gepäck untersucht. Die Reisenden haben gesehen, wie ein Hund der Rasse Beagle, geschmückt mit einer kleinen Rückenschürze und der Aufschrift "Agriculture", bei einem Gepäckstück einer Mitreisenden anschlug. Der den Beagle führende Beamte holte daraufhin eine Apfelsine aus dem Gepäck hervor, steckte sie in seine Hosentasche, belohnte den Hund mit einer Kleinigkeit und ging weiter. Der Hund schien sich über die ganze Sache riesig zu freuen. "His job is the best of all", sagte dazu ein Einreisebeamter. Soweit das Bild an der "Grenze" zu Europa, einem Flughafen.

Ein anderes Bild bietet sich bei Tijuana an der Grenze zwischen Kalifornien und Mexiko. Nach Mexiko ausreisen kann man dort ohnehin ohne jede Kontrolle. Die Rückfahrt mit dem Bus erfolgt dann in zwei Etappen. An der Grenze wird man kurzzeitig zum Fußgänger, und es finden intensive Kontrollen statt, aber nur für diejenigen Insassen des Busses, die nach ihrem Aussehen Mexikaner sein könnten. Offensichtliche US-Amerikaner oder Europäer bleiben auch bei der Wiedereinreise in die Staaten weitgehend unkontrolliert, blondes Haar z. B. schützt hier vor Kontrollen.

Hier sind die Lebensmittel nicht so wichtig, man sieht keine Agriculture-Beagle. Es gibt zwar Schilder, die auf das auch an dieser Grenze bestehende Einfuhrverbot für Nahrungsmittel hinweisen, kontrolliert wird insoweit aber nicht; es werden nicht einmal entsprechende Fragen gestellt.

Nun fragt man sich, weshalb die europäischen oder japanischen Nahrungsmittel für die Gesundheit der amerikanischen Menschen und Haustiere gefährlicher sein sollen, als die Produkte aus Mexiko. Hinzu kommt, dass unsere deutschen Reisenden bei Tijuana auch dann nicht strenger kontrolliert worden wären, wenn sie von einem mexikanischen Flughafen gekommen wären und die Möglichkeit der Einfuhr deutscher Nahrungsmittel gehabt hätten. Es scheint also gar nicht wirklich die Sorge um die Gesundheit der Menschen und Haustiere in den USA zu gehen, die Sache hat andere Gründe. Es ist nicht das Sicherheitsdenken, mit dem Sicherheitsdenken haben die Amerikaner es gar nicht so sehr. Kommt man weiter ins Land, merkt man, wie es in dieser Hinsicht bei den Amerikanern bestellt ist.

- In Supermärkten gibt es Kortisonsalbe und Dreifachantibiotika frei zu kaufen, Mittel, die bei uns nicht nur apotheken-, sondern auch verschreibungspflichtig sind.

- Ein anderes Beispiel: Auf einem Schild am Grand Canyon ist bei einem Wanderpfad zu lesen, dass dort jährlich 15 bis 20 Menschen beim Hinabsteigen bzw. beim Wiederaufstieg zu Tode kommen. Vermutlich wäre der Pfad bei uns schon längst mit einem Schild "Betreten verboten" versehen, oder gar dicht verbarrikadiert.

Nein, das Sicherheitsdenken ist es nicht, sondern ganz offensichtlich handelspolitischer Rigorismus, der sich hinter den Beagles vom Flughafen in Los Angeles verbirgt. Zum Schutz der amerikanischen Farmer vor Nahrungsmitteleinfuhren geschieht das Ganze. Die Beschriftung der Rückenschützen der niedlichen Spürhunde verrät es eigentlich schon auf den ersten Blick.

Und an der Grenze zu Mexiko geht es um den Schutz einer anderen US-amerikanischen Bevölkerungsgruppe, der Arbeitnehmer, die vor der Konkurrenz der billigen Arbeitskräfte aus dem südlichen Nachbarland geschützt werden. Wer die Härte der Amerikaner bei z. B. den GATT-Verhandlungen oder beim Blair-House-Abkommen verstehen will, kann bei einer Busreise über die mexikanisch-kalifornische Grenze hierzu viel lernen.