Nr. 48 vom 30.November 1996

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

"Massenmord an Rinderbabys."

Eine solche Schlagzeile war zu erwarten im Zusammenhang mit der Prämie, die seit langem im Gespräch ist, in Frankreich Wirklichkeit ist, und die schon vor längerer Zeit den Namen "Herodesprämie" bekam. Es geht dabei um Prämien für die Tötung männlicher Kälber im Alter von weniger als 20 Tagen. Ziel der Aktion ist die Entlastung des aus mehreren Gründen, vor allem aber wegen der britischen BSE-Situation, aus dem Gleichgewicht geratenen Rindfleischmarktes.

Die Sache ist zwar bei uns neu, aber ansonsten keineswegs. Die Amerikaner griffen schon vor Jahren zu diesem Mittel. Die Bilder, die in den USA selbst kein besonderes Aufsehen erregten, gingen um die Welt und lösten besonders bei uns heftige Reaktionen aus. Viele Menschen in Deutschland empfinden die Tötung von kleinen Kälbern als Barbarei. Das gilt übrigens besonders auch für die allermeisten Bauern, deren Lebensinhalt es ist, für das Wohl ihrer Tiere zu sorgen, und die die Tötung kleiner Kälber mit ihren Vorstellungen vom Umgang mit Tieren nicht in Einklang bringen können. Tiere dürfen getötet werden, wenn es der Ernährung der Menschen dient, aber man beseitigt gesundere Tiere nicht "einfach so". Wenn jemand die Prämie, die den Namen Herodesprämie trägt, mit Begriffen wie Barbarei versieht, ist das also absolut verständlich. Weniger im Bewusstsein der Menschen ist allerdings die Tatsache, dass auch die gegenwärtige öffentliche Diskussion um diese Prämie durchaus barbarische Züge trägt. Das fängt mit dem Namen Herodesprämie an. Herodes war ein jüdischer König, der angeblich alle neugeborenen Knaben umbringen lassen wollte, um auf jeden Fall auch den angekündigten Messias auszuschalten. Einen solchen Vergleich der massenhaften Ermordung von Kindern mit der Tötung von Kälbern darf man zumindest als geschmacklos bezeichnen.

Geschmacklos und schlimmer ist auch die oben erwähnte Schlagzeile "Massenmord an Rinderbabys". Auch hier stößt die offensichtlich beabsichtigte Assoziation zu menschlichen Babys diejenigen, die sich ein Gefühl für angemessene Ausdrücke erhalten haben, zutiefst ab. Leider kommen derartige Entgleisungen bei uns immer häufiger vor. Man denke nur an die unglaubliche Verhöhnung von Millionen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die manche bei uns heute meinen, mit Hühnern vergleichen zu müssen – "KZ-Hühnern". Was treibt Menschen zu solchen Entgleisungen? Fehlen ihnen ansonsten die Argumente, oder sind sie nur schlicht verrohrt? Vermutlich beides.

Wolfgang Apel, der Vorsitzende des Deutschen Tierschutzverbandes, der das Wort vom "Massenmord an Rinderbabys" in die Welt setzte, scheint noch nicht darüber nachgedacht zu haben, dass wir in einem Lande leben, in dem Tierschutzorganisationen weit mehr Mitglieder haben als Kinderschutzorganisationen. Es scheint so zu sein, dass die Menschlichkeit bei uns auf dem Rückzug ist.

Und noch etwas kennzeichnet die aktuelle Diskussion um die sogenannte Herodesprämie: Munter diskutieren alle mit, auch wenn sie von der Sache nicht das geringste verstehen. Nehmen wir das Beispiel der Hannelore Jaresch vom Bundesverband der Tierversuchsgegner. In Zeitungsberichten wurde sie so zitiert: "Die Prämie wird nur zu weiterer Überschussproduktion führen." Man kann über die "Herodesprämie" denken wie man will, aber eines ist unstrittig: Die Menge produzierten Rindfleisches wird durch sie verringert und nicht vermehrt. Man kann sie aus guten Gründen als barbarisch bezeichnen, ein Instrument zu höherer Überschussproduktion ist sie aber wirklich nicht, im Gegenteil. Die Zahl der Milchkühe ist durch die Milchquote begrenzt, und wenn man die Zahl ihrer gemästeten Kälber verringert, kann die Rindfleischmenge nur abnehmen.