Nr. 10 vom 8. März 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Wie gering allgemein das Wissen über genetische Fragen ist, wurde gerade in den letzten Tagen eindrucksvoll am Begriff des Klonens demonstriert. Ein geklontes schottisches Schaf machte Schlagzeilen und erregte die Gemüter. Um eine Bewertung vorwegzunehmen, auch unter Fachleuten werden an diesen Vorgang äußerst kritische Fragen geknüpft, insbesondere wenn man die Sache gedanklich auf den Menschen überträgt, eine unheimliche Vorstellung. So besteht jetzt die düstere Perspektive, dass berechtigte Kritik an diesem Einzelfall zukünftig generell am Begriff des Klonens oder der Gentechnologie insgesamt festgemacht werden wird.

Haben Sie schon einmal ein Weidenstöckchen in die Erde gesteckt und sich bald darüber gefreut, dass ein hübsches Bäumchen heranwuchs? Ja? Dann haben Sie ein Lebewesen geklont! Das junge Bäumchen ist sozusagen der eineiige Zwilling der großen Weide, von der das Stöckchen stammte. Alle Rebstöcke derselben Rebsorte sind im Verhältnis zueinander Klone, aber nur die oberen "veredelten" Teile, ebenso wie bei den Apfelbäumen. Ja, selbst innerhalb der menschlichen Art gibt es Klone, gegen die es, wiederum zu Recht, nicht die geringsten Bedenken gibt; gemeint sind eineiige Zwillinge. Eine Horrorvision dagegen wäre es, wenn einmal Menschen auf die Idee kommen sollten, den besonders hoch verehrten Großvater in Form eines kleinen Babys wieder auferstehen zu lassen. Biologisch wären das eineiige Zwillinge mit einem Altersunterschied von vielleicht 90 Jahren. Ethisch und moralisch ist diese Vorstellung furchtbar. Dreimal Klone: das Weidenstöckchen, die netten eineiigen Zwillinge in der Nachbarschaft und diese Horrorvision, wie soll man das alles nachvollziehen? Wie schlimm ist schließlich das geklonte Schaf? Wer sich darüber ein Urteil bilden will, muss wissen, dass es sich biologisch um einen eineiigen Zwilling des Mutterschafes handelt, aus dessen Euter der Zellkern entnommen wurde. Nehmen wir einmal an, dieses Mutterschaf hätte das geklonte Lamm auch selbst ausgetragen; dann hätte es seine eigene Zwillingsschwester zur Welt gebracht. Mit der Bewertung muss man hier jeden allein lassen. Mit Parthenogenese, wie auch zu hören war, hat dies jedoch nichts zu tun.

Und um die Sache noch komplizierter zu machen: Beim Klonen geht es nicht einmal um Eingriffe in die eigentliche Erbsubstanz, sondern "nur" um die unveränderte Verlagerung von Zellkernen. Aber Vorsicht, die wirklichen Eingriffe in die Erbsubstanz sind keineswegs immer problematischer als das Klonen. Wir sind uns einig: die Verlagerung eines menschlichen Gens in eine Hefe mit dem Ziel, "humanes" Insulin zu erzeugen, ist gesellschaftlich voll akzeptiert. Akzeptiert ist auch der Bulle "Hermann", der ein menschliches Gen trägt und dessen Töchter deshalb ein Protein produzieren, mit dem man Menschen helfen kann. Die eineiigen Zwillinge mit einem Altersunterschied von 90 Jahren werden dagegen hoffentlich niemals Wirklichkeit, auch, wenn sie über kurz oder lang machbar sein werden.

Genbiologisch ist die Genverlagerung zur Insulinherstellung oder bei "Hermann" weitergehend als das Klonen. Was erkennen wir daraus ? Wir müssen uns davor hüten, Diskussionen mit Schlagworten zu führen, nirgends mehr als bei Fragen der Genetik. Wer mitdiskutieren will, muss sich informieren. Hinter einem Schlagwort können sich so viele verschiedene Inhalte verbergen, dass höchste Aufmerksamkeit geboten ist. Eine Sorge jedenfalls besteht nach den Schlagzeilen über das geklonte Schaf jetzt in der Landwirtschaft: Die "Schlagwortschläger" könnten eine Diskussion entfachen, die sachliche Diskussionen über vernünftige gentechnologische Vorhaben in der Pflanzenzucht und der Tierzucht erschweren würde.