Nr. 15 vom 12. April 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Nach den Veröffentlichungen über das geklonte Schaf Dolly gab es die Befürchtung, jetzt sei es bis zum Klonen von Menschen nicht mehr weit, eine schauerliche Vorstellung. Es dürfte kaum jemand geben, der diese Perspektive nicht ablehnen würde. Dazu gab es in der Presse einen interessanten Streit zwischen Bundesforschungsminister Rüttgers und dem Humangenetiker Ingo Hansmann aus Halle. Rüttgers hatte erklärt, in Deutschland sei das Klonen von Menschen verboten. Hansmann bestritt dies und sprach von einer Lücke im Embryonenschutzgesetz; er bezog sich hier offensichtlich auf die Bestimmung des § 6 (1) des Gesetzes. Danach wird bestraft, wer künstlich bewirkt, dass ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Mensch entsteht. Diese Bestimmung hat es, losgelöst von dem Streit zwischen Hansmann und Rüttgers wirklich in sich.

Aber bevor wir uns mit ihr näher befassen, wollen wir die Frage klären, ob denn das Klonen in Deutschland verboten ist. Zur Beantwortung dieser Frage braucht man die eben genannte Bestimmung nicht unbedingt. Rüttgers dürfte im Ergebnis eindeutig recht haben, da es weitere Bestimmungen im Gesetz gibt, die ineinander greifen und für sich genommen auch ohne den § 6 (1) bewirken, dass es bei uns rechtmäßig den geklonten Menschen nicht geben kann. Der Streit wäre damit leicht zu beenden.

Kehren wir nun zu § 6 (1) zurück. Auch wenn Hansmanns Hinweis auf eine angebliche Lücke im Gesetz offensichtlich zu kurz greift, hat der Genetiker doch einen empfindlichen Punkt angetippt. Was ist eine gleiche Erbinformation? Zwischen dem Spender und dem Klon besteht Gleichheit der Erbinformationen des Zellkerns, das ist klar. Aber im Fall von Dolly gehörten drei Schafe dazu: Das austragende Mutterschaf, die Zellkernspenderin und das Schaf, das die Eizelle lieferte. Von diesem dritten Schaf hat Dolly ebenfalls Erbinformationen. Denn es gibt auch noch Erbinformationen außerhalb des Zellkerns, die sogenannte Mitochondrien - DNS.

Hier soll es nicht um die Frage gehen, ob ein Gericht womöglich auch den § 6 (1) im Sinne eines Klonverbotes auslegen würde, weil die Mitochondrien - DNS nur einen kleinen und damit zu vernachlässigenden Anteil der gesamten Erbinformationen ausmacht. Diesen Prozess wird es hoffentlich nie geben. Aber eines steht fest, und da kann man Hansmann nicht widersprechen, völlige genetische Gleichheit besteht zwischen Dolly und der Zellkernspenderin nicht. Dolly hat auch Erbsubstanz von der Lieferantin der Eizelle, so wie wir alle genetisch unseren Müttern ein wenig näher stehen als unseren Vätern, ist die Eizellspenderin "ein wenig" ihre Mutter.

Bei der Frage nach der Rolle des Klons als eigenständige Persönlichkeit geht es im übrigen nicht nur um genetische Unterschiede. Niemand wird bestreiten wollen, dass auch eineiige Zwillinge eigenständige Persönlichkeiten entwickeln. Ein geklonter Mensch wird dies umso mehr können, zumal er seinem Klonpartner weniger ähnlich ist, als eineiige Zwillinge, die sich nicht nur aus genetischen Gründen ähneln. Sie wachsen gleichzeitig in demselben Mutterleib heran und bleiben meist auch nach der Geburt eng zusammen. Man muss sich also davor hüten, gegen das Klonen mit dem angeblich nicht erfüllten Anspruch auf die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit zu argumentieren, wie es Verfassungsgerichtspräsident Benda getan hat.

Es gibt schließlich andere Argumente genug, bis hin zu der womöglich von ihm nicht zu verkraftenden gesellschaftlichen Sonderstellung eines geklonten Menschen. Das klarste und beständigste Argument wird der Hinweis auf die anmaßende Haltung derjenigen sein, die das Klonen beim Menschen bewirken. Hansmanns Verdienst ist es, die öffentliche Diskussion über diesen Aspekt in Gang gebracht zu haben.