• Nr. 19 vom 10. Mai 1997
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    Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

    Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

    Logisch?

  • In Warschau gibt es nur drei Möglichkeiten, die Heizung zu regulieren: Fenster offen, Fenster gekippt und Fenster geschlossen, so hat es der Vorsitzende der polnischen staatlichen Energiekommission, Ludomir Duda, gesagt.

    Warschau besitzt unter den Städten dieser Erde das zweitgrößte Fernwärmenetz, aber kaum funktionierende Regulierungsmöglichkeiten an den Heizkörpern. Täglich, so schätzt man, wird auf diese Weise und auch wegen der Defekte im Fernwärmenetz in Warschau für eine Million Dollar Energie in die Luft geblasen. Die Polen geben diese Werte in Dollar an, da es sich nicht nu rum Kohle, sondern auch um andere Energieträger handelt.

    Unterstellt man für die politische Kohle, umgerechnet auf deutsche Kaufkraftverhältnisse, einen Preis von 0,25 DM pro kg Heizöläquivalent, ließen sich mit dieser Energie 6,6 Mio. kg N in mineralischen Stickstoffdüngern erzeugen.

    Da die polnische Kohle eher billiger als 0,25 DM pro kg Heizöläquivalentsein dürfte, ist die tatsächliche Energieverschwendung also noch höher. Aber bleiben wir bei 0,25 DM, um auf der sicheren Seite zu sein und ziehen wir einen Vergleich zur Landwirtschaft, um uns die Sache vorstellen zu können. Bei 130 kg N aus mineralischer Stickstoffdüngung auf Deutschlands Feldern entspricht die tägliche Energieverschwendung in Warschau wegen fehlender oder defekter Drehknöpfe danach einer N-Düngung von 50 769 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche in Deutschland.

    50 769 ha täglich sind auf das ganze Jahr bezogen über 18 Mio. ha, also mehr als die gesamte deutsche landwirtschaftliche Nutzfläche. Dies sollten sich die Menschen einmal klar machen, die ständig von Energieverschwendung durch die Verwendung mineralischer Stickstoffdünger reden. Die Stickstoffdüngung in Deutschland sichert die Ernährung der deutschen Bevölkerung, und doch kostet sie offensichtlich weniger Energie, als allein in der Stadt Warschau aus Schlamperei beim Heizungssystem tatsächlich verschwendet wird.

    Man glaubt es kaum: Eine flächendeckende Lieferung von Thermostaten für Warschau hätte energetisch den gleichen Einspareffekt wie ein Verzicht der deutschen Landwirtschaft auf den Stickstoffdünger. Nur, wenn wir uns, vor die Alternative gestellt, für die Thermostaten entscheiden sollten, könnten wir bei uns weiter mit sicheren Erträgen kalkulieren; und, noch wichtiger, wir würden nicht auf einen großen Teil des Energiewerts der Ernte verzichten, ein Vielfaches des Energieaufwandes.

    Aber zurück zu Warschau. Es ist dort nicht nur die harrsträubende Verwendung von Energie; die völlig veralteten Kohlekraftwerke aus der kommunistischen Ära belasten mit gigantischen Emissionen die Umwelt, weil sie mit Hochdruck zum großen Teil überflüssige Fernwärme produzieren, aber allenfalls Rußfilter auf den Kaminen thronen.

    Lösen ließen sich in Warschau beide Probleme, das Umweltproblem und das Verschwendungsproblem. Eine deutsche Gesellschaft, die Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (MVV), ist zur Beratung bereits vor Ort. Der Vorstandssprecher der MVV hat es so formuliert:

    "Die heute noch staatlichen Versorgungsunternehmen von Polen müssen schleunigst privatisiert werden und schlüssige Modernisierungspläne vorlegen, dann wird auch das nötige Geld fließen".