Nr. 25 vom 21. Juni 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

1995/96 wurden nur noch 7% der in Deutschland produzierten Eier an den Endverbraucher direkt abgesetzt. Zehn Jahre vorher waren es noch 39% gewesen. An den Großhandel gingen damals 14%, jetzt 26%. So wie bei der Eiervermarktung sieht es nicht in allen Produktbereichen aus. Bei einigen Produkten gibt es auch Zuwachsraten, so werden z.B. die Gemüsestände in Fremdenverkehrsgebieten eher zahlreicher. Aber die Direktvermarktung ist ein mühsames Geschäft, das höchsten Einsatz erfordert. Besonders für Betriebe des Ökologischen Landbaus ist sie oft zur existentiellen Grundlage geworden, da nur durch direkte Vermarktung die betriebswirtschaftlich erforderlichen höheren Preise erzielt werden können.

Keineswegs nur kleine landwirtschaftliche Betriebe vermarkten direkt. Gerade in den östlichen Bundesländern gibt es Beispiele größerer Betriebe. Einer der bekanntesten ist der Demeter - Betrieb "Brodowin" in der Schorfheide. Auf 1200 ha beschäftigt dieser Betrieb 50 Arbeitskräfte. Das sind 4,2 AK pro 100 ha, also mehr als doppelt so viele wie im durchschnittlichen Ökobetrieb. Dieser sehr hohe Arbeitskräftebesatz ist durch die umfangreiche Direktvermarktung bedingt. Gegenüber Besuchergruppen wird die darin enthaltene soziale Komponente entsprechend stark herausgestrichen.

Eines erfahren die Besucher aber auch: Der hohe AK - Besatz ist wirklich nur eine Folge des starken Direktvermarktungsanteils. In der landwirtschaftlichen Produktion gilt auch auf diesem Demeterbetrieb der Grundsatz, dass arbeitsaufwendige Produktionsverfahren vermieden werden. Futterrüben, die in der umfangreichen Milchviehhaltung auf "Brodowin" eigentlich gut einsetzbar wären, sind aus arbeitswirtschaftlichen Gründen dem Silomais gewichen. Der Betriebsleiter von "Brodowin" bedauert dies sehr, will aber auch nicht auf die gerade dort leicht erreichbaren polnischen Arbeiter ausweichen. Seine nachvollziehbare Philosophie ist es, vorrangig die Menschen der Region zu beschäftigen. Rübenhacken scheint bei denen aber nicht beliebt zu sein.

Schaut man sich die durchschnittlichen AK - Zahlen im Agrarbericht der Bundesregierung an, ergibt sich das gleiche Bild. 1,72 AK pro 100 ha hatten die Betriebe des Ökologischen Landbaus und 1,70 AK pro 100 ha die Haupterwerbsbetriebe insgesamt im Wirtschaftsjahr 1995/96. Bezogen auf die Fläche gab es also praktisch keine Unterschiede, bezogen auf die Produktmenge sieht dies bei den niedrigeren Erträgen und der geringeren Viehhaltung im Ökologischen Landbau bekanntlich anders aus.

Dieses Phänomen, dass Arbeitskräfte für einfache Arbeiten in der landwirtschaftlichen Produktion nur schwer zu bekommen sind, ist nicht neu. Die Arbeitsverwaltung hat hierzu geradezu erschreckende Zahlen genannt. Das Arbeitsamt Nord, zuständig für Mecklenburg - Vorpommern, Schleswig - Holstein und Hamburg, muss in diesem Jahr, so war es jüngst auch in der großen Presse zu lesen, rund 13500 ausländische Arbeitskräfte für die Pflanz - und Erntezeit anfordern. Der Grund: Bis April konnten nur 85 deutsche Langzeitarbeitslose für die Feldarbeit gewonnen werden. Eine Sprecherin der Behörde formulierte es so: "Der Job ist unbequem. Morgens aufstehen, bei Wind und Wetter auf den Feldern - dazu sind Arbeitslose kaum zu bewegen".

150 für Saisonarbeiten geeignete Arbeitslose filterte das Arbeitsamt in Verden aus den Akten heraus und wies ihnen Arbeitsplätze auf landwirtschaftlichen Betrieben zu. Nur drei Männer erschienen zur Feldarbeit. Zwei von ihnen ließen sich nach wenigen Stunden krankschreiben. Es ist anzunehmen, dass auch diese Menschen andererseits das in der Bevölkerung verbreitete Unbehagen über moderne, arbeitssparende Produktionsverfahren in der Landwirtschaft teilen, nur, die Arbeit sollen eben andere machen.