Nr. 30 vom 26. Juli 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Im Südwesten der Hansestadt Hamburg sollen auf 150 ha 3.000 Sozialwohnungen entstehen. Es geht dabei um Wohnraum für 10.000 Menschen. Denn Hamburg, Magnet für Zuwanderer aller Art, braucht dringend weitere Wohngebiete mit preisgünstigem Wohnraum. Nun mussten im letzten Jahr zunächst die für Herbst 1996 terminierten Bauarbeiten ausgesetzt werden. Im Mai gab der Senat dann schließlich doch grünes Licht für die Siedlung, doch gebaut wird immer noch nicht.

Hamburg platzt zwar aus allen Nähten, der dringend erforderliche Wohnraum aber wird noch länger auf seine Fertigstellung warten müssen. Und dies alles verhindert ein Vogel, den man vor Ort bisher lediglich nach dem Geräusch identifiziert hat, und dies noch nicht einmal in jedem Jahr. Ornithologen gehen in der Dämmerung ins Gelände und kratzen an den Zähnen eines Alu - Kamms. Das Geräusch soll die männlichen Wachtelkönige angeblich dazu veranlassen, zu antworten. Gesehen oder gar fotografiert hat noch keiner das Tier. Für seine ökologische Bedeutung für das gesamte Ökosystem lassen sich auch keine besonderen Argumente anführen. Auf die Frage, was sich ändern würde, wenn es dort nicht einmal Geräusche von ihm gäbe, müsste die Antwort wohl lauten: "Na und?" Sogar von Vertretern des NABU wird unverblümt zugegeben, dass der Wachtelkönig "nur der juristische Hebel" ist.

Der Bebauungsplan tangiert ein Feuchtgebiet, in dem so einiges wächst, blüht und gedeiht, was Naturschützer nicht gern in Gefahr sehen möchten. Aus der Frage, ob das Feuchtgebiet oder Wohnungen für 10.000 Menschen wichtiger sind, wollen wir uns hier heraushalten. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass die Wohnungen auch woanders entstehen könnten und das Feuchtgebiet ökologisch ganz besonders wertvoll ist. Zu kritisieren ist aber, dass man hier zu vorgeschobenen Argumenten greift. Der Wachtelkönig ist populär, und deshalb muss er herhalten, obgleich es durchaus fraglich ist, ob es ihn im Plangebiet überhaupt gibt. Dies ist natürlich absolut unehrlich und scheint nach dem Motto "der Zweck heiligt die Mittel" abzulaufen. Man kann gar nicht genug darauf hinweisen, wie in der Naturschutzszene immer wieder mit Showeffekten gearbeitet wird. Häufig sind derartige Showeffekte auch Indizien dafür, dass es um ganz andere Dinge geht. Greenpeace liefert hierfür ein Lehrstück nach dem anderen; je spektakulärer die Aktionen sind, desto besser ist es für das Spendenkonto.

Noch eines ist an diesem Vorgang am Stadtrand von Hamburg interessant, und dies speziell aus Sicht der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft erlebt es immer wieder, dass dort, wo sie Flächen nutzt, diese Nutzungen eingeschränkt werden sollen und auch eingeschränkt werden, oft im Rahmen der sogenannten Sozialpflichtigkeit und meist ohne Entschädigung. Wirkliche Enteignungen werden zwar sorgfältig vermieden, weil bei wirklicher Enteignung im rechtlichen Sinne Entschädigungen zu zahlen wären. Aber es geht immer wieder um Naturschutz zu Lasten der Bauern auf Flächen, die sie bisher uneingeschränkt nutzen durften. Das allerdings wäre für die Nutzung eines Wohngebietes undenkbar. Wenn die Wohnungen im Bebauungsplangebiet Neugraben-Fischbek erst einmal stehen, wird es kein zurück mehr geben. Wer wird sich schon mit 10000 Menschen gleichzeitig anlegen wollen? Auch dies ist eine Ausdrucksform des Messens mit zweierlei Maß, dem die Landwirtschaft sich permanent ausgesetzt fühlt.

Übrigens: Auf den Wachtelkönig kommen weitere Aufgaben zu. Das Phantom der Öko`s soll nicht nur das Wohngebiet Neugraben-Fischbek verhindern, sondern auch die Autobahn A 26 von Hamburg nach Stade. Zwar wird deren Trasse nicht direkt durch das Reich des Königs führen. Doch ferner Autolärm könnte das sensible Tier verstören, fürchten Ornithologen.