Nr. 36 vom 6. September 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Der Saarbrücker Ökologe Prof. Müller hat es auf den Punkt gebracht: Würden die Hawaii - Inseln (so groß wie Schleswig - Holstein) von der Landkarte verschwinden, würden dieser Erde anschließend 8000 Tier - und Pflanzenarten fehlen. Würde ein x - beliebiges deutsches Bundesland von der Landkarte verschwinden, fehlte danach nicht eine einzige Art. Aus dieser Erkenntnis von Müller darf man natürlich nicht die falschen Schlüsse ziehen, und schon gar nicht den, dass Artenschutz bei uns keine wichtige Zukunftsaufgabe ist. Denn, würden alle diesen Schluss ziehen, stünde es um den Artenschutz in Deutschland oder Europa unvertretbar schlecht.

Eines aber dürfen wir aus Müllers Erkenntnis getrost ableiten: Auch Artenschutz ist in seiner Bedeutung relativ, das heißt: mal ist er sehr wichtig, mal auch nur wichtig und in bestimmten Fällen auch einmal nachrangig. Wer das nicht so sieht, urteilt einseitig. Eine zweite Schieflage im Bewusstsein zum Thema Artenschutz sei dem gleich hinzugefügt, nämlich die Ansicht, die Gefährdung der Existenz von Arten sei neu und eine Sache speziell unseres Jahrhunderts.

Bei Dirk Maxeiner lesen wir, dass die Hälfte der bis heute nachweislich von Menschen ausgerotteten Säugetier-, Vogel- und Reptilienarten zwischen 1600 und 1900 und nicht erst im Industriezeitalter verschwand. 1627 erlegte ein Jäger den letzten Auerochsen in Polen. Die totale Vernichtung des amerikanischen Bisons konnte Anfang des 20. Jahrhunderts noch knapp verhindert werden, nachdem die weißen Eroberer ca. 60 Millionen dieser Wildrinder hingeschlachtet hatten.

Der römische Kaiser Trajan ließ für eine Siegesfeier 11000 Wildtiere in der Arena abmetzeln. Die Zirkusspiele der dekadenten Hauptstädter forderten ständig lebenden Nachschub, so dass gegen Ende des römischen Reiches im nördlichen Afrika keine Löwen, Elefanten und Nilpferde mehr vorkamen.

Christian Ernst, Markgraf von Brandenburg, erließ 1697 folgende Verordnung: "Daher haben wir beschlossen, dass bei allen unseren Forstämtern, insbesondere wo Jagdreviere und Jagdgehege sind, baldigst fleißige Anstalten getroffen werden, wie nach und nach die schädlichen Raubtiere ausgerottet werden, nämlich Luchse, Wölfe, Füchse, Marder, Iltisse, Fischotter, die der Fluss- und Teichfischerei großen Schaden zufügen, Wildkatzen, Wiesel und dergleichen, ebenso Steinadler, Uhus, große, mittelmäßige und kleine Geier (alte Bezeichnung für verschiedene Greifvögel, z.B. Bussard), Weihen, Käuzlein, Dorntrampeln oder Neuntöter, Raben, Krähen, Dohlen, Hezen (Elstern) und Nusshäher, außerdem die dem Getreide verderblichen Sperlinge." Dafür setzte er Kopfgeld aus: Drei Gulden und 36 Kreutzer für Bären, 10 Kreutzer für Störche und einen Heller für Sperlinge.

Solche Vorgänge sind nur in einer allgemeinen Bewusstseinslage denkbar, wie wir sie heute nicht einmal mehr in Ansätzen haben. Selbst ein Teichwirt, dem der Kormoran gerade seine wirtschaftliche Existenz ruiniert, würde sich heute nicht für die Ausrottung des Kormorans aussprechen. Gestiegen ist die Zahl der Menschen, wohl das Hauptproblem unserer Erde, und damit der Druck des Menschen auf die Natur. Gestiegen sind auch die technischen und sonstigen Möglichkeiten des Menschen, Druck auf die Natur auszuüben. Gestiegen ist aber auch das Bewusstsein der Menschen, den Druck so gering wie möglich halten zu wollen. Positive Bewusstseinslagen aber können kippen, und Bewusstseinslagen pflegen irgendwann dann zu kippen, wenn sie in immer größere Übertreibungen hineinwachsen und schließlich den Bezug zur Wirklichkeit verlieren. Um das zu vermeiden, könnte eine sachgerechte Verbreitung z.B. der Erkenntnisse aus Saarbrücken hilfreich sein.