Nr. 43 vom 25. Oktober 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Es ist unheimlich, wie in Deutschland der Umweltschutz zur Ideologie und Ersatzreligion instrumentalisiert wird". Dies sind Worte eines französischen Journalisten, Jean - Paul Picaber, Deutschland - Korrespondent des französischen "Le Figaro". Picaber fragt besorgt, ob die deutsche Umweltschutzbewegung der Träger eines neuen deutschen Sendungsbewusstseins sei. Dies erinnert an den Spruch Kaiser Wilhelms II. von dem deutschen Wesen, an dem nach seiner Meinung damals die Welt genesen sollte. Mehr und schlimmere Zitate dieser Art gibt es aus der Zeit zwei Jahrzehnte nach des Kaisers Abdankung.

Es wäre fatal, wenn dies eines Tages in der Weltöffentlichkeit wieder thematisiert würde. Der Nährboden hierfür wird überall in der Welt ohnehin auf teilweise abstoßende Art bereitet. So kann man in den USA nicht mit der Fernbedienung des Fernsehens spielen, ohne auf mindestens einen Anti- Nazi - Film zu stoßen. Dies ist, zugegeben, eine unwirkliche Welt. Wirkliche Anlässe sollten wir dem vorhandenen Nährboden aber auch nicht liefern.

Picaber meinte mit seiner Äußerung sicherlich nicht die Arbeit haupt- und ehrenamtlicher Umweltschützer, wie es sie ebenso in seinem Land und auch anderswo gibt. Konkret geäußert hat er dies im Zusammenhang mit den Krawallen bei den jüngsten Castor - Transporten nach Gorleben. Und, was dort ablief, war in der Tat von einer Art, wie es sie nur in Deutschland zu geben scheint.

Besonders fällt dabei auf, dass es auch in Deutschland nur bestimmte Castor - Transporte sind. Manfred Petroll vom Deutschen Atom - Forum in Bonn sagte hierzu: "Das Ziel bestimmt den öffentlichen Aufstand."

Als vor knapp zwei Jahren der erste Castor nach Gorleben angekündigt wurde, schlugen vor dem Ausgangspunkt, dem AKW Philippsburg, mehrere Dutzend Atomkraftgegner ihre Zelte auf. Fragt man, woher sie die Zeit nahmen, zwei Wochen lang das Werk zu bewachen, kann man die Antwort auch an Kieler Wänden in metergroßen Buchstaben lesen: "Nehmt Euch Urlaub! Feiert krank !(Anfang März) Den Castor im Wendland stoppen!" So war zur Zeit der Demo - Welle im März 1997 in Gorleben.

In Philippsburg schoben sie Wache, um auf keinen Fall den Augenblick zu verpassen, da der Castor auf die Reise ging. Dass während ihrer Wartezeit vier andere Atommüll - Behälter an ihnen vorbeifuhren, kümmerte sie nicht. Denn, die fuhren nicht nach Gorleben, sondern zur französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague. Jahr für Jahr reisen rund 100 Castorbehälter mit atomarem Abfall auf Straßen und Schienen durch Deutschland, ohne dass jemand Notiz davon nimmt. Erschreckend ist auch die Art des Protestes. Zersägte Schienen und Menschen, die ihre Arme im Gleisbett einbetonieren lassen und in den Tagen Anfang März 1997 370 Verletzte sowie 659 Strafanzeigen.

Dieses selektive Verhalten aber ist ein interessantes und gleichzeitig erschreckendes Phänomen. Wie kommt es, dass Menschen in der Masse alle dasselbe Ziel verfolgen und als Einzelne anderswo bei gleichen Sachverhalten anders reagieren? Es drängt sich natürlich der Verdacht auf, dass hier mit Hilfe der Massensuggestion Menschen für bestimmte Ziele missbraucht werden. Aus der Zeit des in Teilen Deutschlands und im Ostblock "real existierenden Sozialismus" wissen wir es inzwischen, unter anderem aus Büchern von Spitzenleuten dieses Sozialismus, ziemlich genau: Es ging darum, Technologievorsprünge des Westens entweder einzuholen oder nicht erst entstehen zu lassen. Das ließ man sich schon einiges kosten. Aber, wer "bewegt" heute derartige "Bewegungen"?