Nr. 49 vom 6. Dezember 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Zweierlei Maß im Umweltschutz, die Landwirtschaft hat immer wieder darunter zu leiden. Wiederholt haben wir an dieser Stelle auf die unterschiedliche Risikobewertung durch Medien und Gesellschaft hingewiesen, in Abhängigkeit davon, ob es um Risiken aus Landwirtschaft oder anderen Risiken geht. Obgleich es in Deutschland z.B. keine wirklichen Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Pflanzenschutzmittel im Trinkwasser gibt, steht die Landwirtschaft in dieser Hinsicht immer wieder unter Beschuss. Es gab Stilllegungen von Wasserwerken, nicht etwa wegen tatsächlicher Risiken, sondern nur wegen extrem strenger Grenzwerte.

Ein anderes angebliches Risiko soll aus dem Verzehr von zuviel Fleisch stammen, ein Thema mit deutlich ideologisierter Diskussion. Die eigentliche Triebfeder dürften hier die Fehleinschätzungen zum Energiebedarf sein. Die Argumente von unserer Seite verhallen oft ungehört. Wer auf die Gefahren wegen möglichen Eisenmangels durch den Verzehr von zu wenig Fleisch hinweist, wird als Abwiegler hingestellt, und, wenn er für den bäuerlichen Berufsstand spricht, als Interessenvertreter abgestempelt. Übrigens, welche Interessen vertreten unsere permanenten Kritiker eigentlich ?

Dabei gibt es das Problem des Eisenmangels im Gegensatz zum nur theoretischen "Gesundheitsproblem" der Pflanzenschutzmittel im Trinkwasser in der Praxis wirklich. Immer häufiger finden wir in der Presse auch Artikel, die sich kritisch mit den verschiedenen Folgen des Verzichts auf den Verzehr von Fleisch für die menschliche Gesundheit auseinandersetzen. So gab es in der Welt am Sonntag vor einem Jahr sogar eine ausgesprochen einprägsame Schlagzeile: "Vegetarische Kost der Mütter gefährdet Babys." Darunter hieß es : "Rein vegetarische Ernährung der Mütter führt bei Säuglingen zu ernsten Entwicklungsstörungen, ergab eine Studie der Universitäts-Kinderklinik Tübingen." Dabei ging es um Vitamin B12, das u.a. die Funktion eines Reifefaktors der roten Blutkörperchen hat.

Aber zurück zum Problem des reinen Eisenmangels. Er tritt nicht nur als unmittelbares Gesundheitsproblem der betroffenen Personen auf. Das Problem hat tatsächlich ganz andere und weithin bisher noch nicht bekannte Dimensionen. Aus Mangel an deutschen Blutspenden müssen jährlich 400000 Liter Blutplasma aus den USA und anderen Ländern in die Bundesrepublik eingeführt werden. Doch die Plasma - Importe entsprechen nicht dem Sicherheitsstandard der in Deutschland hergestellten Blutprodukte. So bleibe bei den Importen trotz aller Tests ein deutlich höheres Restrisiko einer Verunreinigung mit z.B. HIV oder Hepatitisviren bestehen. Das erklärte vor einiger Zeit Professor Peter Hellstern vom Institut für Transfusionsmedizin in Ludwigshafen auf einem Seminar in Berlin.

Der Mangel an deutschen Blutspenden, so Dr. Peter Nielsen von der Universität Hamburg, beruhe jedoch nicht nur auf Spendenunwilligkeit. Eine Studie zeigte: Von 2812 Erstblutspendern wiesen 43 % der Frauen und sechs Prozent der Männer einen deutlichen Eisenmangel im Blut auf. Sie seien als Dauerblutspender ohne vorherige Eisentherapie daher nur bedingt geeignet. Man kann es auch anders sagen: Jedes mal, wenn bei uns ein potentieller Blutspender wegen Eisenmangels abgewiesen werden muss, tritt an die Stelle der 400 ml, die man ihm nicht abzapfen kann, eine importierte Konserve. Immer dann, wenn zu geringer Fleischverzehr eine der Ursachen des Blutmangels war, besteht also zwischen der Verzehrsgewohnheit und dem erhöhten Risiko bei Empfängern importierten Blutes ein Zusammenhang. Wohlgemerkt, hier geht es um wirkliche Risiken, nicht um eingebildete wie beim Trinkwasser.