Nr. 4 vom 24. Januar 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Schon vor drei Jahren hat eines der Eigentore des Kieler Professors Wassermann an dieser Stelle für Stoff gesorgt. Um die Qualität dieser Eigentore bewerten zu können, muss man wissen, dass Wassermann zu den härtesten Kritikern der Landwirtschaft gehört. Er war Damals gefragt worden, auf wie viel verschiedene Stoffe nach seiner Ansicht Regenwasser untersucht werden müsste, wenn es auf Tauglichkeit als Trinkwasser zu prüfen sei. Zum Regenwasser gab er die Zahl 50 000 als Antwort. Als ihm in anderem Zusammenhang die gleiche Frage zum Grundwasser gestellt wurde, nannte er die Zahl 1500. So hatte er unfreiwillig aber sicherlich nicht unberechtigt der Landwirtschaft ein ausgezeichnetes Zeugnis zu ihrer positiven Rolle bei der Sicherung der Trinkwasserversorgung ausgestellt. Dass es dabei durchaus um eine Rolle mit zwei Seiten geht, hatten wir damals von uns aus hinzugefügt, um den Boden der sachlichen Diskussion auch wirklich nicht zu verlassen.

Auf der jüngsten Anhörung des Kieler Bildungsministeriums zur Forschung im ökologischen Landbau an der Christian-Albrechts-Universität hat Wassermann nun geradezu das Tor des Monats geschossen, aber wieder in die falsche Richtung, erneut ins eigene Netz. Bei einem leidenschaftlichen Plädoyer gegen den chemischen Pflanzenschutz suchte er seine Argumente auf die bei ihm gewohnte Weise. Er verstieg sich sogar zu der Behauptung, der chemische Pflanzenschutz sei verantwortlich für die von ihm behauptete schlechte Fruchtbarkeitslage beim Menschen. Ob die geringen Kinderzahlen in Europa nicht ganz gravierende und jedermann bekannte andere Ursachen haben, ließ er außerhalb der Erörterung und auch die Tatsache, dass es auf der Welt Länder gibt, in denen weit sorgloser mit dem chemischen Pflanzenschutz umgegangen wird als bei uns und die dennoch einen rasanten Bevölkerungszuwachs mit allen daraus erwachsenden Problemen haben.

Speziell die nach seinen Worten in Deutschland schlechter gewordene Spermaqualität bei jungen Männern brachte er mit dem Pflanzenschutz in Zusammenhang. Es ist die Spermaqualität beim Menschen wohl in der Tat gegenwärtig abnehmend. Viele möglichen Ursachen werden hierzu diskutiert, bis hin zu der Gewohnheit, zu enge Jeans zu tragen oder die Tatsache, dass heute zunehmend auch Unterwäsche eingefärbt wird, und dies mit einer schier unübersehbaren Palette von Farbstoffen. Diese Diskussion wollen wir hier nicht führen. Hier soll es nur um Wassermanns Eigentor auf der Anhörung gehen. Er schoss einen über alle Maßen eigenartigen Beweis ab. Bei den jungen Männern gebe es eine immer schlechtere Spermaqualität, bei den in der Rinderbesamung eingesetzten Bullen hätten die kleinen Flagellaten dagegen eine gute Qualität. Wie er das mit seinem Vorwurf gegen den Pflanzenschutz in unserer Landwirtschaft – es ging um die Agrarforschung in Schleswig-Holstein - in Einklang bringt, wird er wohl niemand erklären können. Die meisten der gegenwärtig diskutierten Ursachen (s.o.) sind typisch für den Menschen und typisch für Rinder. Die Eigenart, sich überwiegend von Dingen zu ernähren, die unter Einsatz von Pflanzenschutz produziert wurden, ist dagegen Mensch und Rind bei uns gemeinsam; sie eignet sich deshalb kaum, die Beobachtung von Unterschieden zu erklären. Zu Wassermanns Entlastung denkbar wäre allenfalls die Arbeitshypothese, der Pflanzenschutz im Baumwollanbau gehöre womöglich zu den Ursachen. Nur, Baumwolle wird eben nicht bei uns angebaut. Und außerdem sollten Arbeitshypothesen nicht die Grundlage öffentlicher Äußerungen hoch bezahlter Wissenschaftler sein. Eine Arbeitshypothese sollte einen Wissenschaftler zu forschen und nicht zu reden veranlassen. Wenn er redet, erwarten wir Erkenntnisse. Wir sind in der Hinsicht jedenfalls vorsichtiger, gibt es doch durchaus die Versuchung, aus dieser Arbeitshypothese Argumente für den kontrollierten Flachsanbau bei uns zu zimmern. Wir widerstehen ihr, wenn wir seriös bleiben wollen.