Nr. 9 vom 28. Februar 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Wer im modernen Wettbewerb wirtschaftlich bestehen will, ist meist darauf angewiesen, moderne Produktionsmethoden zu benutzen. Für die Landwirtschaft gilt das selbstverständlich auch, und es wird in Kürze z. B. bedeuten, dass der verstärkte Einsatz von Computern, immer stärker optimierte Verfahren bei Pflanzenschutz und Düngung und ebenso gentechnologische Verfahren zu den Standardmethoden gehören werden. Bekanntlich gibt es hierzu weltweit verschiedene Einstellungen, von ungetrübter Zukunftsbegeisterung bis hin zu strikter Ablehnung. In einigen Ländern, wie z. B. in den USA und Kanada, überwiegt die Zustimmung fast vollständig. Die Ablehnung ist am stärksten im deutschsprachigen Raum, in Deutschland, Österreich und den deutschsprachigen Teilen der Schweiz. Die meisten Länder liegen irgendwo dazwischen. In jedem Land gibt es beide Denkrichtungen, Befürworter und Kritiker, eben nur in unterschiedlichen Fraktionsstärken.

Wie kann es nur geschehen, dass Menschen über denselben Gegenstand einzeln aber auch regional so unterschiedlich denken? Was unterscheidet die modernen Methoden in der Landwirtschaft von anderen Wissensgebieten, zu denen die Meinungen nicht annähernd so weit auseinandergehen? Voll erklären kann man sich dieses Phänomen nicht. Ein Erklärungsansatz scheint aber sicher zu sein: Meinungen und Gefühle sprießen dort am üppigsten, wo das Wissen am geringsten verbreitet ist.

Nur, dieser Ansatz reicht nicht aus, um auch die regionalen Unterschiede zu erklären. Denn, es ist kaum anzunehmen, dass die Menschen in Kanada über z. B. Gentechnologie mehr wissen als in Großbritannien. Die Briten wissen vermutlich auch nicht mehr als die Franzosen. Und dafür, dass die Franzosen womöglich mehr wissen könnten als die Österreicher, spricht kaum etwas; noch weniger spricht schließlich dafür, dass die Deutschen das geringste Wissen auf der Welt haben.

Nein, das Wissen dürfte überall etwa gleich schlecht sein. Der Ausbildungsstand in Fragen der Genetik z. B. oder moderner Verfahren bei Pflanzenschutz und Düngung tendiert bei den meisten Menschen vermutlich gegen Null. Die regionalen Unterschiede erklären sich also wohl eher dadurch, dass man den wenigen Menschen, die von der Sache etwas verstehen, unterschiedlich stark glaubt. Ob dies womöglich mit unterschiedlich starken Vertrauensbrüchen in der Vergangenheit und daraus gewachsener Skepsis zusammenhängt, soll dahingestellt bleiben. Vielleicht ist auch das Feld für Desinformanten regional unterschiedlich lohnend und wird von ihnen deshalb unterschiedlich intensiv beackert. Wir wissen es nicht genau.

Eines ergibt sich vor diesem Hintergrund aber zwangsläufig: Wer Meinungen in vernünftige Bahnen lenken will, muss Aufklärung betreiben. Das machen bei uns die Industrie, der Bauernverband, die Fördergemeinschaft Integrierter Pflanzenbau, der VDL (Berufsverband Agrar, Ernährung, Umwelt) und viele andere. Sie alle machen es mit nicht geringer Intensität, und sie müssten eigentlich schon längst größere Erfolge haben. Ja, wenn die Desinformanten nicht wären. Für sie scheint der Nährboden im deutschsprachigen Raum tatsächlich besonders günstig zu sein, warum auch immer. Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich z. B. Greenpeace von einer ursprünglich betont internationalen Organisation immer mehr auf den Schwerpunkt Deutschland verlagert hat. Greenpeace muss ähnlich wie Wirtschaftsunternehmen bestrebt sein, mit möglichst geringem Aufwand an möglichst viel Geld zu kommen, eine normale betriebswirtschaftliche Leitlinie. Ist es in Deutschland am leichtesten, an Spendengelder heranzukommen? Oder handelt es sich hier schlicht um einen schwerpunktmäßigen Einsatz von Mitteln, ein normales ökonomisches Prinzip? Eigentlich hätten Greenpeace, WWF und Co. sich dann dem englischsprachigen Bereich zuwenden müssen, da es mehr Menschen gibt, die englisch sprechen. Aber sie werden es sich wohl gut überlegt haben.